Über Politikerdrogen und Drogenpolitik

Partei ohne Rauschkompetenz

Der Umgang mit Volker Beck zeigt, dass sich die Grünen längst für einen heuchlerischen Puritanismus in der Drogenpolitik entschieden haben.

Das Unglück von Volker Beck liegt darin, dass er mit der falschen Droge erwischt wurde. Ob er noch innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion wäre, hätte man bei ihm ein Beutelchen Gras gefunden, sei dahingestellt; mindestens aber wäre ihm das Verständnis – ähem – breiter Bevölkerungsteile sicher. Wie die Bild aber aus offenbar gut informierten Polizeikreisen erfahren haben will, soll es sich eben um Crystal Meth handeln. Eine Substanz also, der nicht erst seit der TV-Serie »Breaking Bad« und auch nicht völlig zu Unrecht ein mieses Image anhaftet. Prompt herrschte eine Aufregung, als hätte Beck (um noch so ein Klischee zu bemühen) Heroin an Schulkinder ­verkauft.
Dass der Besitz von 0,6 Gramm auch sogenannter harter Drogen zuerst einmal in die Rubrik »Bagatelldelikt« fällt, spielt also im großen Skandalgeschnatter keine Rolle. Und zwar nicht nur für den Online-Mob oder die Bild, bei der man spekulieren darf, welche Rauschmittel zur Schlagzeile mit der »Hitler-Droge« beitrugen, sondern auch und besonders auffällig für Becks grüne Parteifreunde.
»Crystal Meth ist eine harte und gefährliche Droge und sie ist verboten«, schulmeisterte die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt. Über »schweres Fehlverhalten« war der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erschüttert. Und die Würdigung von Becks »Lebensleistung« der Parteivorsitzenden Simone Peters klingt eher nach einem Nachruf. Ob die Solidarität größer wäre, wenn Kretschmann wie auch die Parteikollegen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sich nicht mitten im Wahlkampf befänden, ist zu bezweifeln.
Einer Partei mit Rauschkompetenz würde auffallen, dass sie in ihrem eigenen Programm eine Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten fordert, die ja in erster Linie sich selbst schädigen. Daran schlösse sich die Frage an, warum ein solches Delikt, zumal in ­einer Größenordnung, die die Staatsanwaltschaft nicht lange interessieren dürfte, verwerflicher sein soll als beispielsweise der jüngste rassistische Twitter-Post einer Erika Steinbach, die weiterhin das schöne Amt der menschenrechtspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion bekleidet.
Dem gerade erschienenen UN-Drogenbericht für 2015 zufolge hat ein Viertel aller europäischen Erwachsenen Erfahrungen mit illegalen Drogen. Auf den Bundestag hochgerechnet wären das etwa 150 Parlamentarier. Die Kokainspuren, die im Jahr 2000 auf den Bundestagstoiletten gefunden wurden, stammten ja vermutlich auch eher nicht vom Reinigungspersonal. Und wenn man schon von harten Drogen redet, könnte man auch mal darauf hinweisen, dass eines der am meisten suchterzeugenden und gesundheitsschädlichen Genussmittel überhaupt, der Alkohol, in wohl kaum einem Bereich so sehr zum Berufsalltag gehört wie in der Politik. Anzuerkennen, dass es so etwas wie eine unberauschte Gesellschaft nicht gibt, wäre die Grundlage dafür, die Risiken und Nebenwirkungen zu mindern.
Volker Beck war einmal Mitglied einer Partei, die solche Diskussionen ­geführt hätte. Dass die ihn nun dermaßen fallenlässt, zeigt, dass sie sich inzwischen längst für eine puritanische statt für eine nüchterne Drogende­batte entschieden hat.