Sparkurs abgewählt. Die Regierungsbildung in Irland

Unzufrieden und unentschieden

Das Ergebnis der Parlamentswahl in Irland zeigt die Unpopularität der Sparpolitik, doch einen klaren Wahlsieger gibt es nicht.

Wird Austeritätspolitik von den Wählerinnen und Wählern bestraft, auch wenn es vorzeigbare ökonomische Erfolge gibt? Wegen dieser Frage war die Parlamentswahl in Irland auch außerhalb des Landes von größerem Interesse. Befürwortern der Austeritätspolitik gilt Irland als Beispiel für deren Erfolg. Die Sparprogramme wurden 2008 begonnen und liefen von 2010 bis 2013 unter dem Rettungsplan der EU ab. Um den Staat vor einem Bankrott zu bewahren, erhielt Irland vom Internationalen Währungsfonds und der EU 67 Milliarden Euro an Krediten. Dafür musste die Regierung erhebliche Kürzungen im Sozialbereich und bei den öffentlichen Gehältern und Pensionen vornehmen. Die Staatsausgaben wurden um über 30 Milliarden Euro reduziert, was etwa 15 Prozent des Brutto­inlandsprodukts entspricht, und die Steuern erhöht. Viele öffentliche Projekte wurden beendet.
Die Wirtschaft wächst, doch offiziellen Statistiken zufolge leben nun rund 30 Prozent der Bevölkerung in Armut (in Griechenland sind es 37 Prozent). Etwa 40 Prozent aller Kinder sind von Armut betroffen. Die Arbeitslosenquote ist in den vergangenen Jahren gesunken, allerdings auch, weil viele junge Iren emigrierten. Die Staatsschulden betragen noch immer 125 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, so dass ein Ende der Austeritätspolitik nicht absehbar ist.
Die Wahlen am 26. Februar galten somit als Abstimmung über die Sparpolitik. Gewählt wurden 157 Teachtaí Dála (Abgeordnete) des Dáil Éireann, des Unterhauses des Parlaments. Seit 2011 regiert eine Koalition aus Fine Gael, einer liberal-konservativen und christdemokratischen Partei, und der Labour Party. Fine Gaels Vorsitzender Enda Kenny war seit 2011 Taoiseach (Premierminister).
Die Verluste der Koalitionsparteien waren hoch. Fine Gael blieb mit 50 Sitzen stärkste Partei, verlor aber 26 Sitze. Die Labour Party, die in der vergangenen Wahl ihr bisher bestes Ergebnis mit 37 Sitzen erzielte, fiel auf nur sieben Sitze zurück. Zweitstärkste Partei wurde Fianna Fáil, eine konservative Partei rechts der Mitte, mit einem Zuwachs von 20 auf 44 Sitze; gefolgt von Sinn Féin, die nun 24 statt zehn Abgeordnete stellt. Sinn Féin ist eine sozialdemokratische und linksnationale Partei, die in der Vergangenheit enge Verbindungen mit der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) unterhielt.
Das Bündnis Anti-Austerity Alliance – People Before Profit, dessen Hauptprogramm die Opposition zu den Sparmaßnahmen der Regierung und der EU ist, gewann sechs Sitze. Die restlichen Sitze fielen an die Green Party, die Independents und die Social Democrats. Renua Ireland, eine 2015 gegründete Partei konnte keine Sitze gewinnen. Gegründet hatten Renua Ireland ein Senator und mehrere Abgeordnete, die aus Fine Gael ausgetreten waren, nachdem sie im Parlament gegen das »Gesetz zum Schutz ungeborenen Lebens« gestimmt hatten, das ihnen zu abtreibungsfreundlich war. Das Gesetz wurde von Fine Gael eingeführt und erlaubt unter bestimmten Bedingungen eine Abtreibung: Gefahr für das Leben der Mutter wegen Krankheit, einer Notlage oder aufgrund von Selbstmordgefahr. »Ungeborenes Leben« wird in diesem Gesetz außerdem so definiert, dass eine Notfallverhütung, die »Pille danach«, nicht mehr kriminalisiert wird und etwa auch als Behandlung von ektopen Schwangerschaften, Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutter, möglich ist, was vorher nicht der Fall war.
Da Fine Gael und Fianna Fáil nicht mitenander koalieren wollen, ist eine Mehrheitsregierung nicht in Sicht. Bisher sieht es so aus, als würde Enda Kenny mit Fine Gael weiter regieren, da Fianna Fáil bereit ist, für eine begrenzte Zeit und unter bestimmten Bedingungen eine Minderheitsregierung von Fine Gael zu dulden, um eine Neuwahl zu verhindern.
Das Wahlergebnis und insbesondere die Verluste für Fine Gael, unter ­deren Führung die Sparmaßnahmen verschärft wurden, zeigen die Unpopularität der Austeritätspolitik. Sie bieten jedoch keine Grundlage für eine andere Politik. Immerhin gelang es, mit dieser Wahl die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Durch die Einführung einer Quote erhöhte sich der Anteil der weiblichen Parlamentsmitglieder von 15 auf 22 Prozent.