Homestory

Geschlecht, Identität, Nationalität, der ganze Kram, mit dem man sich beschäftigt, ist eine Konstruktion und die Aufgabe des Journalisten ist es, zu dekonstruieren. So in etwa war der Stand der Dinge. Jetzt steht aber nicht mehr Dekonstruieren auf der Hitliste, sondern Konstruktivität. Das neue Zauberwort der Medienwissenschaft lautet »Konstruktiver Journalismus« (Jungle World 5/2016). Die Hirnforschung hat nämlich festgestellt, dass die Rezeption negativer Nachrichten zu Depressionen führen kann. Es geht darum, die Dinge auch mal positiv zu sehen und lösungsorientiert zu schreiben. Zwar lernt eigentlich jeder Volontär und Journalistenschüler, dass eine Kritik angemessen zu sein hat und ans Ende von Bericht und Reportage auch ein positiver Ausblick gehört. Aber das reicht den Vertretern des Konstruktiven Journalismus nicht. Wie die meisten Zeitungseditorials ist auch die Homestory der Jungle World dem Gedanken des Erbaulichen und Innovativen zutiefst verpflichtet, denn letztlich schreibt man hier fröhliche Werbetexte, die irgendwas zwischen Glosse und Marketing sind. Wobei es in manchen Homestorys auch gnadenlos ehrlich zuging und knallharte Recherchen im Layout, Verlag oder in der Küche getätigt wurden. Andere Rubriken und Genres in dieser Zeitung verweigern sich aber hartnäckig dem neuen Trend zum Konstruktiven und verbreiten weiter nichts als bad news und schlechte Laune. Es ginge natürlich auch anders, also »Rechtsextreme beleidigten einen Passanten rassistisch, halfen aber zwei Stunden später einer alten Frau über die Straße und wiesen eine ungeübte Fahrerin in eine Parklücke auf dem örtlichen Lidl-Parkplatz ein«, könnte beispielsweise in einem nach neuesten medienwissenschaftlichen Erkenntnissen reformierten »Deutschen Haus« stehen. Solange das Deutsche Haus aber nur negative Meldungen enthält, könnte zumindest eine Trigger-Warnung am Anfang stehen: »Die Lektüre sorgt für schlechte Stimmung und vermittelt kein positives Deutschlandbild«.