Sport tut gut

»Das ist natürlich toll, von der mächtigsten Frau der Welt empfangen zu werden.« Der junge Mann mit den eventuell bemüht strubbeligen Haaren – vielleicht ist es auch einfach die Aufregung, bei der »mächtigsten« Frau der Welt zu sein – ist ganz außer sich. Er steht vor dem Eingang des Bundeskanzlerinnenamtes und spricht strahlend in die Kamera. Strahlend und auch ein wenig verwirrt. Ja, die mächtigste Frau der Welt hat ihn und seine Kollegen empfangen. Die Europameister im Handball, dem ewig buckeligen Bruder des glamourösen Fußballs.
»Sie haben große Freude verbreitet und eine Sportart, die sonst nicht ganz so im Mittelpunkt steht, gut vertreten«, sagt Merkel zu den Europameistern, die sie ins Kanzlerinnenamt zum Empfang eingeladen hat. Zum Feiern. Zum Selfie machen. Zur Selbstdarstellung. Und die Europameister, nicht geübt darin, von oberster Stelle so gefeiert zu werden, freuen sich tatsächlich etwas unbeholfen, aber doch sehr putzig. Sie strahlen, sie schenken ihr das obligatorische Trikot mit ihrem Namen und beim Foto machen dann ein paar mit ihr zusammen die Raute. Eigentlich wollten es alle machen, sagt der Kapitän am Ende, aber irgendwie dann doch nicht. Vielleicht haben sich einige nicht getraut, den Witz mitzumachen. Dabei gibt es wenig, was Merkel so fröhlich stimmen dürfte wie das Imitieren der Raute. Denn die Raute, das ist Merkels ultimatives Insignium der Macht. Sie braucht keinen Stab, keine Krone. Königin Angela hat alleine ihre Finger, die sie zur Raute formt und die mittlerweile so sehr mit ihr verknüpft ist, dass es ein eigenes Emoticon gibt: --.
Dass sich die Mehrheit der Handballeuropameister dem Spaß nicht anschloss, sagt eventuell etwas über das Autoritätsverständnis der Spieler aus und gleichzeitig etwas über eine vielleicht neue Art der Autorität, verkörpert von Angela Merkel. Eine Autorität, die auf einem gewissen Maß an Lockerheit basiert, die Spaß macht, die gefühlt gar nicht weh, sondern gut tut. Während einige Spieler bei einem solche Staatsakt Späßchen offenbar unangemessen finden, amüsiert sich Merkel nämlich prächtig. Sie mag es, wenn Menschen Scherze machen – vor allem wenn sie es so bewundernd tun und sie imitieren. Sie schätzt es offenbar, von jungen, gut aussehenden Sportlern umgeben zu sein. Bilder von Merkel im Fußballstadion der deutschen Nationalmannschaft sind ihre ausgelassensten und das Bild in der Umkleidekabine 2014 nach dem Weltmeistertitel der Fußballer ist vielleicht das Bild, auf dem sie am glücklichsten aussieht.
Wenn Sport und Politik zusammenkommen, ist das für die Politik meistens äußerst dankbar. Leistungsbereite, zumeist junge Menschen, politisch nicht allzu interessiert, geschweige denn gefährlich. Und natürlich immer schön pathetisch patriotisch.
Es gibt wenige Momente, in denen Merkel den patriotischen Gelüsten der Deutschen derart ungefährlich huldigen kann. In diesen Tagen gilt das mehr denn je. Merkel selbst kokettiert gerne mit ihrer Unsportlichkeit, nennt sich selbst Bewegungsidiot. Sport ist für sie ein passives Vergnügen und Teil ihrer herrschaftlichen Inszenierung. Deswegen widmet sie sich auch der Fußballnationalmannschaft der Frauen: Sie unterstützt die Männer und die Frauen, die für Deutschland in die internationalen Kämpfe ziehen, die Deutschland repräsentieren, und wenn sie dann noch gewinnen, ja, dann haben alle was davon. Dann sind wir alle mal wieder Deutschland und das ist auch schön so. Das tut uns allen gut. So gesehen ist Merkels Autorität also gar nicht wirklich neu. Sie ist nur ein bisschen anders.