Volle Kanne vorwärts ins 22. Jahrhundert

Leo Fischer klingt heute wie Sigmar Gabriel.

Die Wählerinnnen und Wähler haben abgestimmt. In drei Ländern, mit zum Teil zweistelliger Wahlbeteiligung. Das ist ihr gutes Recht, und da stehe ich auch als SPD dahinter. Historisch hat die SPD immer den Wählerwillen respektiert, auch wenn er einmal nicht mit dem Par­teiprogramm übereingestimmt hat. Was aber nicht geht, ist, dass die SPD jetzt kleingeredet wird. Die SPD ist, falls es jemandem noch nicht aufgefallen ist, an der Regierungsmacht. Merkel vertraut uns, das wird auch erst mal so bleiben. Und der Wählerwille, das ist ja auch ein bisschen was Schönes an der Demokratie, ist beweglich und ändert sich historisch. Im 19. Jahrhundert war er total pro SPD, im 20. Jahrhundert haben wir etwas an Fahrt verloren, und im 21. Jahrhundert müssen wir uns halt erst mal wieder sammeln. Das ist auch die Verantwortung der SPD: Die große Linie nicht aus den Augen zu verlieren. Ich persönlich denke bei der SPD schon jetzt ans 22. Jahrhundert, freue mich auf eine Zeit, in der ich hoffentlich längst Staub und vergessen bin. Die große Linie drückt sich eben nicht nur über Stimmen und Beliebtheit aus. Ich erinnere mich noch an meine Schulzeit, an meine Klassenkameradin Susi. Sie war das beliebteste Mädchen in der Klasse, aber das hat sie nicht davor bewahrt, dass ich sie in der Pause immer an den Zöpfen gezogen habe. Beliebtheit, das musste Susi lernen, ist ein janusköpfiges Pferd. Mir fällt da auch ein Beispiel aus der Physik ein: Im Anfang musste das Universum erst ganz klein, unansehnlich und kugelförmig werden, um dann mit voller Power durchzustarten. So sehe ich mich auch selbst ein wenig. Wenn wir den Aufstieg der AfD analysieren, dann sehen wir, dass die auch als Kleinpartei gestartet ist, nicht als Volkspartei. Die SPD hat das verstanden und sich dementsprechend gesundgeschrumpft, um das Kleinstwählermilieu zurückzugewinnen. Ich denke da an Kohlekumpel, an die Leute an den Schmelzöfen, an die kleinen Ölunternehmer mit familiengeführter Pipeline. Auf die müssen wir einreden. Mit Engels’ Zungen. Guten Appetit!
Leo Fischer lädt sich für seine Kolumne in die Köpfe anderer Leute ein, um für die Länge eines Gast­beitrags in ihre Rolle zu schlüpfen.