Die Bühnenfassung des Prekariatsromans »3 000 Euro«

Von der Mitte an den Rand

Der Prekariatsroman »3000 Euro« in der Bühnenfassung von Julia Jost.

Anton, einst Jurastudent mit glänzenden Aussichten, ist nach einer manisch-depressiven Phase in die Wohnungslosigkeit gerutscht. Arbeitslos, Trinker, keine Kreditkarte, ein Zimmer im Wohnheim – fast schon kein Mensch mehr. 3 000 Euro muss er auftreiben, sonst droht ihm die Privatinsolvenz und der endgültige soziale Absturz. Denise, alleinerziehende Supermarktkassiererin, wollte ihr schmales Budget mit einem Pornodreh aufbessern. Der zwielichtige Filmproduzent sagte ihr 3 000 Euro zu, bezahlte aber nicht. Der Kampf um 3 000 Euro wird für Denise und Anton zum Überlebenskampf in der bürgerlichen Gesellschaft. Ein Leben in Armut führt sie schließlich zusammen. An der Supermarktkasse beginnt eine Liebesbeziehung, die von Anfang an eine ungleiche ist.
Julia Jost, Regieassistentin am Thalia-Theater in Hamburg, bringt in ihrer Abschlussarbeit Thomas Melles Roman »3 000 Euro« auf die Bühne. Sie verdichtet für die Theaterfassung die Geschichte von Denise und Anton auf knappe 60 Minuten. Auch wenn die Konturen dadurch nicht unbedingt schärfer werden, funktioniert das wunderbar. Jost illustriert ansprechend, mit simplen Mitteln und sehr viel Witz und Wärme. Sie zeigt Denise und Anton nicht als Freaks, sondern als an den sozialen Rand gedrängte Menschen. Auf die übliche Pre­kariats-Folklore wird wohltuend verzichtet. Der Zuschauer blickt in den öden Zweckraum der Thalia-Garage, begrenzt durch hohe Fenster und Säulen. In der Mitte der Bühne liegt ein gigantischer Schwan, kein sterbender, sondern einer, der schon mausetot ist, zerfleddert und aufgerissen – eine Metapher für abgestürzte Lebensträume. Mal dient die Skulptur als Raum­teiler, mal als Bankschalter, mal ist er Parkbank, mal Klettergerüst. Die von Marie Jung verkörperte Denise ist pessimistisch und zurückhaltend. Patrick Bartsch spielt seinen Anton als selbstmitleidigen, nölenden Borderline-Typen. Darstellerin Sandra Flubacher übernimmt gleich sämtliche Nebenfiguren, sie stellt die Freunde und Verwandten von Anton und Denise dar, ist Sozialarbeiter, Bankbeamtin oder Kneipenbekanntschaft. Außerdem gibt sie den fiesen Conférencier, der mit bitterbösem Augenzwinkern durch die Handlung führt. In der Arroganz, mit der Flubacher ihre Figuren auf das verarmte Paar blicken lässt, wird die Erleichterung darüber sichtbar, nicht selbst zu den Verlierern dieser Gesellschaft zu gehören. Aber auch die Unsicherheit, ob das so bleibt.
3 000 Euro. Thalia-Garage, Hamburg. Nächste Vorstellungen: 26. März, 7. April, 22. April, 9. Mai