Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst verweisen auf die Kosten für Flüchtlinge

Eine Pulle Gehalt

In den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst versuchen die Arbeitgeber erneut, Beschäftigte und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen.

Nach nur zwei Stunden waren die Verhandlungen auch schon wieder vorbei. In der vergangenen Woche trafen sich Vertreter von Verdi, GEW, IG Bau, der Gewerkschaft der Polizei sowie von Beamtenbund und Tarifunion (DBB) mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Vertretern des Verbands kommunaler Arbeitgeber (VKA) zur ersten Runde der Tarifverhandlungen für die mehr als zwei Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes. Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Lohn, ein Ende der Befristungspolitik bei Einstellungen, eine Übernahmeregelung und 100 Euro mehr Gehalt für Auszubildende. Der VKA lehnt die Forderungen als überzogen ab und drängt stattdessen auf Einschnitte in der betrieblichen Altersversorgung. So kam es in den ersten Gesprächen zu keiner Annäherung. Am 11. April soll in Potsdam erneut verhandelt werden. Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber bereiten sich inzwischen auf erste Warnstreiks der Beschäftigten vor.
Neben den altbekannten Einwänden gegen Lohnerhöhungen führen die Arbeitgeber in diesem Jahr noch ein weiteres Argument an: die höheren Ausgaben der Kommunen wegen des Zuzugs von Flüchtlingen. So rief der VKA-Präsident Thomas Böhle die Gewerkschaften zur Zurückhaltung auf wegen der schwierigen finanziellen Lage der Städte und Gemeinden angesichts der »Flüchtlingskrise«. »Wir reden hier über massive Belastungen durch die Unterbringung und die Integration«, so Böhle. Auch Bundesinnenminister de Maizière forderte wegen der Kosten der Flüchtlingspolitik »einen Tarifabschluss mit Augenmaß«.
Nicht zum ersten Mal versuchen die öffentlichen Arbeitgeber Beschäftigte und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen. Bereits während des Tarifkonflikts im Sozial- und Erziehungsdienst im vergangenen Jahr, der erst nach mehreren Streikwochen beigelegt wurde, nutzten sie die Flüchtlingssituation, um die öffentliche Meinung zum Nachteil der Beschäftigten zu beeinflussen. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, erhöhte damals den Druck auf die Gewerkschaften, nachdem diese das Ergebnis der Schlichtung abgelehnt hatten: »Ich appelliere an die Gewerkschaften, den Zusammenhang zwischen der angespannten Finanzlage der Kommunen, unter anderem durch die hohen Kosten für die Flüchtlinge, und unrealistischen Gehaltsforderungen der Kita-Beschäftigten zu erkennen und einzulenken.«
Damals hielten die Gewerkschaften dagegen. Als politisch gefährlich wies der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske im vergangenen Jahr die Äußerungen Landsbergs zurück. »Es ist nicht akzeptabel, gerade die Kolleginnen und Kollegen, deren Arbeit mit den Flüchtlingen in den Kommunen dazu beiträgt, Menschen in akuter Not zu helfen und ihnen die ersten Schritte in einer neuen Umgebung zu erleichtern, moralisch so unter Druck zu setzen«, kritisierte er. Nur kurze Zeit später einigten sich die Dienstleistungsgewerkschaft und die Arbeitgeber jedoch ohne nennenswerte Verbesserungen gegenüber der vorhergehenden Schlichtungsempfehlung.
Auch diesmal kritisieren die Gewerkschaften den Versuch der Arbeitgeber, die Lage der Flüchtlinge zu instrumentalisieren. Bsirske warnte davor, »die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach ihrem großen Einsatz für die Flüchtlinge mit dem Verweis auf leere Kassen auch noch zu bestrafen«. Tatsächlich hat die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge zu einer erheblichen Zahl von Überstunden und zu Mehrarbeit in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes geführt, vor allem weil in den Jahren zuvor in diesen Bereichen ein großer Stellenabbau stattgefunden hatte.
»Die bevorstehende Einkommensrunde muss die angespannte Lage im öffentlichen Dienst berücksichtigen«, sagte daher auch der stellvertretende Vorsitzende des DBB, Willi Russ. »Die Mitarbeiter machen unter dem Druck der vielen Flüchtlinge in Deutschland einen verdammt guten Job«, sagte er. »Sie haben nun Anspruch auf einen ordentlichen Schluck aus der Pulle beim Gehalt.«