Konservativ und Spaß dabei

Der »Extremismusforscher« Karsten Dustin Hoffmann warnt vor der Gefahr des Linksextremismus. Er selbst bewegt sich im Umfeld neurechter Gruppen und betätigt sich seit kurzem bei der »Alternative für Deutschland«.

»Was ist der ›schwarze Block‹ und warum ist er wütend?« fragte Bild anlässlich der alljährlichen Demonstrationen und vereinzelten Ausschreitungen am 1. Mai 2015 in Hamburg in einem Video. Vor der Kamera der Boulevardjournalisten stand Karsten Dustin Hoffmann, Politikwissenschaftler und »Extremismusexperte«. Ihm zufolge mache die »militante Linke« in Deutschland die europäischen Nationalstaaten und deren Politik für die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer verantwortlich und wolle diese Wut auch auf die »Straße bringen«. Zudem verweist er auf die Zahl linker »Gewaltdelikte«, die sich in den vergangenen zehn Jahren »verdoppelt habe«.
Hoffmann beschreibt sich auf seiner Facebook-Seite als »Vater, Ehemann, Politikwissenschaftler«, über seine politischen Ansichten schreibt er: »konservativ und Spaß dabei«. Ob sein politisches Umfeld jedoch als lediglich »konservativ«, gar als »spaßig« bezeichnet werden kann, ist mehr als fraglich. Der Politikwissenschaftler schreibt nicht nur für die Welt, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Initiative »Endstation rechts«, sondern auch für das Online-Magazin Citizen Times. Dieses versteht sich selbst als »publizistisches Flaggschiff der Stresemann-Stiftung«. Geschäftsführer der nationalliberalen Stiftung ist Felix Strüning. Er saß bereits im Bundesvorstand der antimuslimischen Partei »Die Freiheit« und kandidierte auf deren Berliner Landesliste. Im Oktober 2012 vertrat Strüning die Stiftung auf der neurechten Messe »Zwischentag« und hielt dort einen Vortrag. Ausrichter der Messe ist der Publizist und Verleger Götz Kubitschek, Herausgeber der neurechten Sezession. Mit Ständen vertreten waren der rassistische Blog »Politically incorrect«, die rechtsextreme Zeitung Zuerst! sowie die Berliner Burschenschaft Gothia, die schon den Neonazi Horst Mahler zu sich einlud.
Hoffmann schrieb zu diesem Zeitpunkt bereits regelmäßig für die Citizen Times. Der »Extremismusexperte« schien sich nicht an dem neurechten und rechtskonservativen Milieu zu stören, mit dem Strüning als redaktionell Verantwortlicher der Citizen Times auf der Messe verkehrte. Als der bayerische Verfassungsschutz im April 2014 begann, den Landesverband Bayern von »Die Freiheit« zu beobachten, distanzierte sich Hoffmann ebenfalls nicht von seinem Kollegen Strüning und dessen politischen Tätigkeiten.
Auch der Blick auf Hoffmanns Gastgeber zeigt, dass der Politikwissenschaftler keine Berührungsängste mit Neurechten hat. So trat er im Oktober 2014 in der »Bibliothek des Konservatismus« in Berlin auf und referierte zur »militanten Linken in Deutschland«. Die im November 2012 eröffnete Bibliothek bezeichnet sich als »einen Ort konservativen Denkens und Schaffens«. Kritiker sehen in ihr dagegen eine Einrichtung der Neuen Rechten. Hinter der Bibliothek steht die »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung«, die eng verbunden ist mit der neurechten Zeitung Junge Freiheit. Dieter Stein, der Chefredakteur der Wochenzeitung, ist zugleich Vorsitzender der im Jahr 2000 von Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing gegründeten Stiftung. Darüber hinaus verleihen die Förderstiftung und die Junge Freiheit gemeinsam den Gerhard-Löwenthal-Preis an Autoren, die sich »durch kontinuierliche, besonders qualitätsvolle und bahnbrechende Beiträge hervorgetan haben«. Zu den Preisträgern zählt beispielsweise Ellen Kositza, deren »bahnbrechende« Artikel vor allem in der Zeitung ihres Ehemanns Götz Kubitschek erscheinen.
Dass eine Denkfabrik der Neuen Rechten Hoffmann einlädt, zeigt, was unter »konservativ und Spaß dabei« zu verstehen ist. Es geht sicher nicht um eine differenzierte Betrachtung des »Linksextremismus«, sondern um das Schüren von Ängsten. Vor allem Vertreter rechtskonservativer Kreise wollen Hoffmanns Worten lauschen. Anfang 2015 sprach er vor den rechtspopulistischen »Bürgern in Wut«, die wenig überraschend vor einer Verharmlosung des Linksextremismus warnen. Nur etwa einen Monat später lud die »Junge Alternative«, die Jugendorganisation der »Alternative für Deutschland« (AfD), Hoffmann nach Lüneburg ein.
Angesichts der ungefähr 100 rassistisch motivierten Brandanschläge in Deutschland 2015 scheint auch Hoffmann erkannt zu haben, dass das Forschungsfeld »Linksextremismus« gerade nicht sehr gefragt ist. Offenbar will er sich nun als zusätzliche Beschäftigung in der AfD engagieren. Zurzeit versuche man, im niedersächsischen Landkreis Rotenburg einen Kreisverband der Partei aufzubauen, sagte Hoffmann kürzlich einer Lokalzeitung. Tatsächlich passt er mit seinen politischen Ansichten bestens zur AfD Niedersachsen, denn der Landesverband warnt ständig vor den Gefahren des Linksextremismus. Gegebenenfalls wird beim Beschwören der linken Gefahr auch mal tatkräftig nachgeholfen. So empörte sich beispielsweise die AfD Harburger Land kürzlich darüber, dass einer ihrer Vortragsabende nach »linksextremistischen Drohungen« gegen den Wirt des Lokals an einen anderen Ort verlegt werden müsse. Tatsächlich hatte es jedoch keine Drohungen gegeben, wie der Wirt bestätigte.
Auch Hoffmann neigt gerne zur Übertreibung. Er ist Sprecher der »Forschungsgruppe Extremismus und Militanz« (FGEM), die unter anderem »linksmotivierte Militanz« dokumentiert. Hoffmann und seine FGEM nehmen auch friedliche Blockaden und Verstöße gegen das Kunsturhebergesetz in die Statistik auf. Man muss kein Experte sein, um das politische Kalkül hinter der Zählweise zu erkennen. Je höher die Zahlen sind, desto größer wird die Legitimation für das eigene Weltbild und die eigene Forschungsgruppe. Gerade die AfD als Law-and-Order-Partei, in der Hoffmann nun mitwirkt, fiel bisher fast ausschließlich mit Forderungen nach mehr Maßnahmen gegen den »Linksextremismus« auf. So verlangte sie im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf stärkere Förderung von präventiven und zivilgesellschaftlichen Maßnahmen gegen den »Linksextremismus«. Staatliche Mittel für den Kampf gegen rechts sollten »aufgrund der geänderten Bedrohungslage teilweise umgewidmet werden«. Angesichts der derzeitigen rechten Gewalt in Deutschland spricht dieser grandiose Einfall für sich selbst.