Wenn sich das Testosteron anstaut

Leo Fischer klingt diese Woche wie Julian Reichelt, Journalist

Liebe Leserinnen und Leser,

wahrscheinlich haben Sie noch nie etwas von mir gehört: Mein Name ist Julian Reichelt, und ich bin der Bild.de-Chefredakteur. Doch, wirklich! In echt. Was soll das heißen, »halbes Hemd«? Schauen Sie doch mal ins Impressum rein, da steht es schwarz auf weiß. Also muss es stimmen. Steht ja in der Bild! Was mit dem Kai Diekmann los ist? Der ist derzeit Egoposter-at-large und entwickelt spannende neue Produkte mit Fotos von toten Kindern. Gut, ist jetzt nicht unbedingt mein Fetisch, aber ich bin da liberal. Zumal mir der Kaischi versprochen hat, alle meine Postings zu liken, wenn ich mich benehme. Das ist nämlich diese unglaubliche Freiheit, die man bei Bild.de hat: Man kann an einem Tag von marodierenden Asylanten schreiben und am nächsten Tag »Refugees welcome« weinen, man kann morgens Thilo Sarrazin hochjazzen und abends total traurig über die Erfolge der AfD sein. Leute, die das kritisieren, sind in Wahrheit nur neidisch auf diese Freiheit. Wenn eine FAZ-Tippse wie der Harald Staun seine missgünstige Medienkolumne über heißen Fickanzeigen wie bei uns platzieren könnte, würde er das bestimmt sofort tun. Darf er aber nicht! Weil diese Freiheit, die gibt es nur bei Bild.de. Und die Anzeigen auch. Bei uns kann man auch mal das Nadelstreifenhemd aufknöpfen und das Brusthaar im Wind wehen lassen. Also, das eine.
Zum Beispiel habe ich jetzt in Bild die Tötung von Terroristen gefordert. Das muss man sich mal trauen! Richtig krass und maskulin! Hat mir der Kaischi auch bestätigt, nachdem er den Artikel freigegeben hat. Mit Bild.de ist es eben wie mit einem Fahrstuhl: Wenn du mit uns rauffährst, bleibst du eben zusammen mit uns stecken. Und während du mit uns vier Stunden lang auf den Techniker wartest, staut sich eben Testosteron an. Dann kann es halt auch sein, dass da Unbeteiligte was auf die Fresse kriegen. Die Streber vom Bild-Blog zum Beispiel, in ihren von Neid und Hass durchwaberten Büros. Leider können wir die nicht so einfach bekämpfen wie die Terroristen: Immerhin gehören die zu den wenigen Leuten, die die Bild noch lesen. Und noch sind wir technisch nicht so weit, dass wir auf Leser verzichten können.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich

Ihr Julian Reichelt (Bild.de-Chefredakteur!!!)