Altern mit The Thermals

Gehobene Mittelklasse im Survivalcamp

Jung und wild sind The Thermals aus Portland mittlerweile nicht mehr. Aber ist das so schlimm?

Das gemeinsame Altern mit langjährigen Lieblingsbands vermittelt bisweilen so ein heimeliges Gefühl von Identitätsversicherung: Sie sind noch da, und ich bin es auch. Dumm nur, wenn man bemerkt, dass das Schaffen der Band des Vertrauens unterdessen recht beliebig und redundant geworden ist und man überlegt, ob es sich mit einem selbst nicht ebenso verhält. Die gleichen Witze, die gleichen Ticks, die gleichen Anekdoten. Sollte man mal vorsichtig beim Lebensabschnittspartner oder im Freundeskreis nachfragen? Lieber doch nicht.
Die geschätzten Thermals scheinen zumindest den programmatischen Titel »We Disappear« auch musikalisch allzu wörtlich genommen zu haben, da zwei Drittel der Stücke auf ihrem siebten Album nur den Trademark-Mix aus Nirvana-induziertem Pop-Punk und Schrammel-Indie reproduzieren, den sie halt gut können – indes ohne die Wildheit der ersten Alben und mit teils abgegriffenen Melodielinien. Gleich in mehreren seiner neuen Songtexte thematisiert Hutch Harris das Sterben, die Unvermeidlichkeit des persönlichen Verschwindens und die beschränkten Möglichkeiten des Überlebens: »In the code/we will always exist«, besingt er im Opener »Into the Code« allerdings mäßig tiefsinnig das Fortbestehen in digitalen Speichermedien.
Vinyl geht aber sicher ebenfalls. Noch vor einem Jahr haben Harris und die Bassistin Kathy Foster ihr hübsches selbstbetiteltes Album »Hutch and Kathy« von 2002 wiederveröffentlicht, auf dem sie kurz vor der Gründung der Thermals 13 kleine Folkpop-Gems in Low Fidelity versammelt haben. Damals hieß es noch ganz aufwieglerisch »You can count on changes/you can count on anything«. Nun kann das Frühwerk also erstmals auch als LP archiviert und vor dem Vergessen bewahrt werden.
Bei »We Disappear« wirkt es marketingtechnisch eher suboptimal, die besten, schönsten, eigentümlichsten Songs ans Ende der Platte zu setzen. Vielleicht ist dies jedoch schlichtweg Ausdruck von Bescheidenheit und Altersmilde; man muss nicht mehr so offensiv um die eigene Geltung buhlen. Vom tristen Schicksal manch alter Helden wie Weezer oder The Pixies, denen das ausgeprägte Ego beim würdevollen Älterwerden im Wege steht, sind The Thermals jedenfalls zum Glück meilenweit entfernt. Und selbst die großen Kim Gordon und Thurston ­Moore bekleckerten sich in den vergangenen Jahren ja bekanntlich nicht mit Ruhm und Haltung, sondern nervten auf unterschiedliche Arten und Weisen. Schlimmer noch, für alle der eben genannten gilt leider immer mehr: Selbstironie? Fehlanzeige. Dies kann man Harris, Foster und Schlagzeuger Westin Glass wahrlich nicht vorwerfen, bei ihnen wurde dem Unheil schon immer ins Gesicht gelacht oder wenigstens gezwinkert. Zuletzt taten sie sich online außerdem als unterhaltsame Facebook-Blogger hervor. Stattdessen sind sie inzwischen einfach gehobenes Mittelmaß, midtempo – wie man selbst vermutlich. Ist vielleicht auch okay so.
The Thermals: We Disappear (Saddle Creek/Cargo Records)