Justin vs. Angela

Die dunkle Raute der Macht.

Alle lieben Trudeau. Trudeau mit Pandabär. Trudeau beim Lächeln, beim Gewinnen eines Schöne-Körper-Wettbewerbs, bei herzerweichenden Reden über die Erziehung seiner Töchter. Trudeau beim Empfangen von Flüchtlingen, beim Erklären von Feminismus, beim gut Aussehen, beim Kiffen gut Finden. Trudeau beim BDS-doof-finden. Ja, sogar das. Und dann heißt er auch noch Justin. Alle lieben Trudeau. Dieses spitzbübisch lächelnde Unterwäschemodel, das irgendwie – er hat es ja gar nicht nötig! – sein Herz für die Politik entdeckt hat (Spoiler: Papi war auch schon Politiker) und jetzt alles richtig macht. Immer schon gemacht hat. Es ist geradezu erschöpfend, ihm beim Perfektsein zuzusehen. Es scheint, dass es der Feminismus geschafft hat: Ein Feminist steht an der Spitze einer relevanten Industrienation! Toll!
Aber was ist eigentlich mit den Frauen? Also in der Politik. Da wären zum Beispiel Marine Le Pen, die Anführerin der französischen Nationalisten, oder Frauke Petry, die Anführerin der neuen deutschen Rechten. Auch wäre da die Ministerpräsidentin Polens, Beata Szydło, die Abtreibung verbieten will. Das würde Justin nie tun! Überhaupt sind die weiblichen Stars der internationalen Politik zumeist mindestens liberal bis konservativ oder gar faschistisch. Wenn der Feminismus also nun alles erreicht haben soll, dann machen die Männer die lustige, niedliche, sexy Politik von links und die Frauen sind die neuen Anführer der nationalistischen Bewegungen? Wie konnte das passieren?
Frauen in der Politik müssen immer härter, konsequenter, disziplinierter sein. Früher war es noch schlimmer, also vor den neunziger Jahren und der Girl Power und so. Da wurden Frauen nur ernst genommen, wenn sie Krieg führten (siehe Margaret Thatcher), eine große, verwirrende Verantwortung trugen (siehe Golda Meir) oder die Position geerbt hatten (siehe Queen Elisabeth II). Linke Frauen? Die sind Terroristinnen (Ulrike Meinhof), nicht ernstzunehmen (Andrea Ypsilanti), abzusägen (Heide Simonis) oder dem Populismus verfallen (Sahra Wagenknecht).
Nach über einem Jahrhundert des Geschlechterkampfes haben Frauen ihren Platz in der Politik – solange sie dem Bestehenden dienen und die herrschenden Verhältnisse nicht nur zementieren, sondern bestenfalls nach rechts radikalisieren. Müsste ein Prototyp dieser neuen Frauen in der Politik benannt werden, wäre das Angela Merkel. Die erste in der Riege, die die gläserne Decke tatsächlich durchbrach, wenn auch unter vielen Entbehrungen, die den Hosenanzug final in der internationalen Politik durchsetzte. Die Krönung von Jahrzehnten feministischer Kämpfe. Ganz technokratisch, pragmatisch, ohne Scheuklappen und auf die eigene Macht fokussiert. Etwas, was den lächelnden Führerinnen der Rechten zugute kommt, etwas, was die Linke nie tun würde. Aber dafür gibt es ja die Männer. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Und im Notfall regelt es halt Justin.