Proteste gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg

Bonzen mit Herz

Mit rabiaten Mitteln wollen Bürger im noblen Hamburg-Blankenese den Bau einer Flüchtlingsunterkunft verhindern. Doch andere Anwohner treten ihnen entgegen.

»Hier wie auch in anderen Teilen des Hamburger Speckgürtels brechen sich Wohlstandschauvinismus und Rassismus Bahn«, sagte eine Rednerin mit aufgeregter Stimme durch ein Megaphon. Sie gehörte zu den etwa 50 Teilnehmern einer als »Blankenese Chainsaw Massacre« angekündigten Kundgebung am Donnerstag vergangener Woche. Diese richtete sich gegen eine Blockade, die Anwohner zwei Tage zuvor dort veranstaltet hatten.
Am Rand des Hamburger Stadtteils Blankenese sollten im Björnsonweg 42 Bäume gefällt werden, um dort neun Pavillons für 192 Flüchtlinge errichten zu können. Mit etwa 20 Limousinen blockierten Anwohner die Zufahrt, die Lastwagen der mit der Fällung beauftragten Firma zogen wieder ab. Bereits am Tag zuvor war eine Biologin attackiert worden, die bestimmen sollte, welche Bäume für die Flüchtlingsunterkunft gefällt werden. Der für die Gegend ungewöhnlich rabiate Widerstand machte bundesweit Schlagzeilen.
Zugleich legte der Anwalt Rüdiger Nebelsieck beim Verwaltungsgericht Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Hier werde gegen europäisches Umweltrecht verstoßen, so die Begründung. Die zuständige Kammer ordnete eine vorläufige Unterbrechung des Baus der Unterkunft an – wegen des »grundsätzlich schutzwürdigen Trockenbiotops«. Dass die Fläche am Björnsonweg dem Bebauungsplan zufolge ohnehin für Einzelhäuser vorgesehen ist, spielte offensichtlich weder für die Anwohner noch für das Gericht eine Rolle.
In Videointerviews, die etwa Spiegel Online veröffentlichte, kommt dagegen zur Sprache, was sich hinter dem Einsatz für die Bäume verbirgt. »Es ist klar, dass Flüchtlinge irgendwo untergebracht werden müssen, aber doch nicht gerade im Wasserschutzgebiet«, so eine Anwohnerin. In anderen Flüchtlingsunterkünften sei viel Wachpersonal, weil »da schon erheblich geklaut« werde. Eltern hätten »Angst um ihre Töchter«.
Tatsächlich stand an gleicher Stelle in Blankenese bis 2008 schon einmal eine Flüchtlingsunterkunft. Das wird von einigen anderen aus dem Björnsonweg als Argument für das neue Heim angeführt: Es habe seinerzeit keine Probleme gegeben, sondern eine gute Nachbarschaft. Etwa 25 Anwohner des Björnsonwegs fanden sich am Samstag sogar zu einem Fototermin mit einem Transparent mit der Aufschrift »Refugees welcome« ein und betonten, sie seien »keine herzlosen Bonzen«.
Blankenese ist einer der am schönsten gelegenen Stadtteile Hamburgs. Direkt am Ufer mit Blick auf die Elbe stehen viele Villen. Hier residiert das alteingesessene reiche Bürgertum. Aber wie etwa in den Neubauten am Björnsonweg haben sich auch Neureiche niedergelassen, denen der diskrete Charme der Bourgeoisie abgeht und die sich geradezu unhanseatisch verhalten. Tatsächlich herrscht einiger Unmut über die Blockierer. »Autos kreuz und quer parken! Eine Biologin angreifen! Unmöglich!« erregte sich etwa ein Mann in der Hamburger Morgenpost, um dann nachzuschieben: »Ich bin der Meinung, dass Blankenese bis zu 300 Flüchtlinge wunderbar verkraften kann.« Ganz hanseatisch und distinguiert wird auf eine Obergrenze geachtet.
Ähnlich argumentiert der Dachverband »Hamburg für gute Integration«, in dem sich Bürgerinitiativen aus zahlreichen Stadtteilen zusammengeschlossen haben, die gegen Flüchtlingsunterkünfte protestieren. Er hatte Anfang März in nur fünf Tagen statt der erforderlichen 10 000 Unterschriften für eine Volksinitiative gegen große Flüchtlingsunterkünfte etwa 26 000 Stimmen gesammelt. In der Vorlage wird gefordert, dass höchstens 300 Flüchtlinge an einem Standort leben und zwischen den Unterkünften ein Abstand von mindestens einem Kilometer liegen solle. Der Dachverband schweigt zu dem Konflikt in Blankenese, obwohl er sich dort für »gute Integration« in einer kleinen Unterkunft einsetzen könnte, mit weit weniger als den von ihm geforderten 300 Flüchtlingen.
Im Björnsonweg stehen weiterhin die Bäume, trotz des von der »Interventionistischen Linken« angekündigten »Blankenese Chainsaw Massacre«. Irgendwann holte ein Teilnehmer der Kundgebung tatsächlich eine Kettensäge hervor, postierte sich neben einer Birke und warf sein Werkzeug an. Mehr als 20 Kameras richteten sich auf ihn. Er hielt die Säge fotogen hoch, um dann einmal kurz an der Rinde anzusetzen – ein symbolischer Akt ohne gefällte Bäume. Aber die Rednerin versprach: »Wir kommen wieder!«