Legida und die NPD arbeiten zusammen. Mit wenig Erfolg

Desaster für Legida

In Leipzig gehen Legida, Neonazis und andere Rechte seit kurzem gemeinsame Wege. Auch aktive und ehemalige Mitglieder der NPD mischen kräftig mit. Doch die Attraktivität des neuen Bündnisses scheint gering.

Montagsdemonstrationen, Mauerfall, Wiedervereinigung – in dieser Tradition sehen sich die selbsternannten Patrioten, die seit Oktober 2014 in Dresden und seit Anfang 2015 in Leipzig auf die Straße gehen. Ihre Losung lautet »Wir sind das Volk« und ihre Gegner sind »die da oben«, also Politiker, Journalisten und andere Meinungsmacher. Dabei scheint man sich insbesondere in der »Heldenstadt« Leipzig, die als maßgeblicher Schauplatz der »friedlichen Revolution« von 1989 gilt, als legitime Nachfolger der einstigen Montagsdemonstranten zu sehen.
Als eine Art zweite Wiedervereinigung, zumindest aber als historischer Moment, wurde daher gefeiert, was sich Anfang April auf der jüngsten Kundgebung des örtlichen Pegida-Ablegers Legida abspielte: Die abtrünnigen Truppen rund um den ehemaligen Organisationsleiter Silvio Rösler durften in den Schoß der Volksgemeinschaft zurückkehren. Legida, Thügida, Reichsbürger sowie prominente Vertreter zweier Neonaziparteien und anderer rechtsextremer Kleinstorganisationen haben offiziell den Schulterschluss vollzogen.
Im vergangenen Juni trat Rösler als Verantwortlicher bei Legida zurück. Schon damals träumte er davon, verschiedene Initiativen zusammenzubringen, um gemeinsam »eine Faust im Kampf gegen dieses System« zu formen. Dieses Vorhaben brachte ihn unter anderem zu einer Veranstaltung des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt und auf eine Demonstration des »Widerstand Ost West« (WOW).
Gemeinsam mit dem WOW wollte Rösler im September eine Großkundgebung in Leipzig organisieren. Er selbst hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen »Gida-Dachverband« gegründet – freilich in Gegnerschaft zum Dresdner Original Pegida, das sich selbst als Überbau all dieser Bewegungen verstand. Letztlich ohne die Unterstützung von WOW und unter dem neuem Namen »Offensive für Deutschland« (OfD) konnte Rösler etwa 400 Personen mobilisieren. Der überwiegende Teil kam aus dem Neonazimilieu.
Schon damals war Alexander Kurth mit dabei. Vor zwei Jahren kandidierte er noch als NPD-Mitglied für den Leipziger Stadtrat. Mittlerweile ist er sächsischer Landesvorsitzender der neonazistischen Partei »Die Rechte«. Bei den folgenden OfD-Demonstrationen rückte Kurth zunehmend ins Zentrum des Geschehens. Neben den beiden männlichen Führungsfiguren zählt zudem Anne Zimmermann zu den wesentlichen Protagonisten. Sie war zuvor bei der Anti-Asyl-Bewegung »Initiative Heimatschutz« in Meißen aktiv.
Bereits Ende Oktober interessierten sich nur noch 20 Personen für die OfD. Als Befreiungsschlag sollte daher die im links-alternativen Stadtteil Connewitz angemeldete Demonstration im Dezember sorgen. Stattdessen musste man jedoch durch die Südvorstadt laufen und blieb mit weniger als 200 Teilnehmern deutlich unter den Erwartungen. Eine mehrmals angestrebte Kooperation mit Legida schien lange Zeit aussichtslos, wurde man doch schlicht ignoriert und totgeschwiegen. Doch die Geduld sollte belohnt werden.
Vor einigen Wochen trat Röslers Nachfolger bei Legida, Markus Johnke, als Organisationsleiter und Vereinsvorsitzender zurück. Er selbst begründete diesen Schritt mit einer nötigen Erholungspause. Zudem seien »politische und organisatorische Differenzen mit Pegida« aufgetreten. Da Johnke seitdem bei mehreren Anti-Asyl-Demonstrationen in sächsischen Kleinstädten zu Gast war, dürften vor allem die inhaltlichen Auseinandersetzungen mit Pegida entscheidend gewesen sein.
Johnke bewarb beispielsweise die »Merkel muss weg«-Kundgebung in Berlin, an der sich Neonazis, Hooligans, Reichsbürger und Rocker beteiligten. Pegida-Organisator Lutz Bachmann hatte vor einer Teilnahme an dieser Demonstration gewarnt. Beide neigen auf ihre Art und Weise zu Verschwörungstheorien. Während Johnke einen Plan der Mächtigen, unter ihnen die USA und Banken, wittert, um Europa mittels der »Flüchtlingskrise« zu destabilisieren, grenzt sich Bachmann radikal von der NPD ab. Er glaubt, dass die Partei vom Verfassungsschutz gesteuert wird.
Die Entwicklungen in Leipzig könnten einen Bruch zwischen Legida und Pegida bedeuten, denn ausgerechnet die NPD scheint nach dem Abschied von Johnke an Einfluss zu gewinnen. Ein von Rösler und weiteren OfD-Aktiven mitgetragenes Bündnis namens »Wir lieben Sachsen/Thügida« organisierte parallel zur vergangenen Legida-Kundgebung eine »Unterstützerdemo«. Pegida erkennt Thügida nicht als offiziellen Ableger an. Grund ist unter anderem die Mitgliedschaft des Organisationschefs David Köckert in der NPD.
Dass Legida und Thügida nun gemeinsame Sache machen, darf als Aufkündigung der Partnerschaft mit Pegida verstanden werden. Zwar warb Legida offiziell nicht für die zweite rechte Demonstration an diesem Abend – jedoch traten beide unter dem Motto »Gemeinsam gegen die imperialistische Kriegstreiberei« an. Die Kundgebungen begannen an zwei verschiedenen Plätzen, vereinigten sich allerdings auf dem Innenstadtring. Anders als in den Monaten zuvor verzichtete Pegida zudem nicht auf eine eigene Veranstaltung am Montagabend. Neben Köckert trat auf der »Unterstützerdemo« noch ein zweites NPD-Mitglied in Erscheinung: Kurt Richter, Stadtrat in München. Auch ehemalige Parteimitglieder wie Sigrid Schüßler, die jahrelang den »Ring Nationaler Frauen« leitete, waren vor Ort.
Bemerkenswert ist vor allem die Zusammenarbeit mit dem Leipziger Stadtrat Enrico Böhm. Auch er war bis vor kurzem Mitglied der NPD und Kreisvorsitzender in Leipzig. Im Februar hatte ihn der sächsische Landesvorstand der Partei jedoch abgesetzt. Er sei den Aufgaben nicht gewachsen, hieß es dazu auf Anfrage. Als Böhm dem Landesvorsitzenden Jens Baur dann öffentlich Wahlmanipulation vorwarf und dessen Parteiausschluss forderte, ereilte ihn selbst dieses Schicksal. Seitdem führt er das »Bürgerbündnis Wir für Leipzig« an. Dieses warb ebenfalls für die Legida-Unterstützerdemonstration.
Abgesehen von der »Wiedervereinigung« endete der Abend jedoch im Desaster. Trotz breiter Mobilisierung kamen nur 50 Personen. Gemeinsam mit Legida schaffte man es lediglich auf 500 – etwa halb so viel wie noch im März. Mit einschlägigen T-Shirts sowie Parolen wie »Internationale Völkermordzentrale Israel« und »Nie wieder Israel« dürfte man zudem noch jenen Teil des Legida-Publikums vergrault haben, das sich von Antisemitismus und allzu offensichtlicher NS-Ideologie abgrenzen möchte. Somit könnten auch die derzeitigen Montagsdemons­tra­tio­nen in Leipzig bald ein Fall für die Geschichtsbücher werden.