Demonstrationen von türkischen Nationalistenin deutschen Städten

»Neue Türken« rufen alte Parolen

Türkische Nationalisten haben in mehreren deutschen Städten Demonstrationen veranstaltet. Ein breites Bündnis aus Konservativen und Faschisten zu schmieden, gelang den Organisatoren aber noch nicht.

Für den vergangenen Sonntag hatten nationalistische und islamistische Türken zu Demonstrationen in vielen deutschen Städten aufgerufen. Als Organisator trat erstmals eine Gruppierung namens »AYTK« (Avrupa Yeni Türk Komitesi respektive Almanya Yeni Türk Komitesi – Europäisches bzw. Deutsches Neue-Türken-Komitee) auf. Den großspurigen Ankündigungen zum Trotz blieben die Teilnehmerzahlen weit hinter den Erwartungen zurück. Kurdische Aktivisten und wenige deutsche Antifaschisten konnten die Aufmärsche rechter Türken teilweise erfolgreich stören.
Vor den Demonstrationen war viel über die Hintergründe des AYTK spekuliert worden. In einer Erklärung von Organisationen von Minderheiten aus der Türkei wie dem Zentralrat der Armenier und der Alevitischen Gemeinde wurde vermutet, hinter der Organisation stecke der türkische Staat. Die Demonstrationen in Deutschland würden maßgeblich organisiert durch die an die türkische Religionsbehörde angeschlossene DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) und die UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten), eine europäische Vorfeldorganisation der türkischen Regierungspartei AKP, die bereits 2013 mit Solidaritätsdemonstrationen für den abgesetzten islamistischen Präsidenten Ägyptens, Mohammed Mursi, auffiel. Die unterzeichnenden Migrantenverbände warnten in ihrer Erklärung vor »Machtdemonstrationen des Nationalismus« und »Gefahren für das friedliche Zusammenleben«, die von den Demonstrationen und ihren Organisatoren ausgingen. In einer weiteren Erklärung, die vor allem von linken kurdischen Organisationen unterstützt wurde, war sogar von Pogromen die Rede, die durch die Demonstrationen vorbereitet werden sollten.
Der deutschsprachige Aufruf des AYTK dagegen spricht verharmlosend von einer Initiative türkischer und kurdischer Mütter, die der Terroropfer in der Türkei genauso gedenken wollten wie der Opfer der Anschläge in Paris und Brüssel. Im türkischsprachigen Aufruf des AYTK finden sich allerdings auch Sätze wie dieser: »Alles für das Vaterland – Märtyrer sterben nicht; das Vaterland kann nicht geteilt werden.«
Allzu groß kann die Unterstützung durch DITIB und UETD für die Demonstrationen allerdings nicht gewesen sein. In Frankfurt und Hamburg gingen jeweils nur 200 türkische Nationalisten auf die Straße. In München waren es 250, in Hannover etwa 400 und in Stuttgart 700. Einzig in Nürnberg konnte mit 2 500 Demonstranten das selbstgesteckte Ziel erreicht werden. In Köln, wo die größte Demonstration erwartet worden war, versammelten sich gerade einmal 400 Teilnehmer. Angekündigt waren 5 000.
Auch organisatorisch bekam das AYTK offenbar nicht viel Hilfe von den nationalistischen und islamischen Verbänden, wie das Beispiel Köln zeigt. Bühne, Lautsprecher? Fehlanzeige. Lediglich ein kleines Megaphon hatten die Organisatoren bei der Auftaktkundgebung zur Verfügung. Die 400 Teilnehmer mussten schon sehr leise sein, um die kurze Ansprache der Anmelderin zu verstehen.
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist in solchen Fällen allerdings großzügig. Wie bereits im Sommer 2014 half man den Anmeldern mit eigenem Equipment aus. Damals, bei einer anti-israelischen Demonstration in Hagen, wurde ein Polizei-Megaphon genutzt, um die Kundgebung mit antisemitischen Parolen aufzustacheln. Diesmal durften die Anmelder sogar eine polizeiliche Lautsprecheranlage benutzen.
Um einen Eklat wie 2014 zu vermeiden, reagierte die Kölner Polizei schnell auf Kritik  – mit einem Facebook-Posting. Darin hieß es, man habe den Lautsprecher lediglich für »Ordnungsdurchsagen« zur Verfügung gestellt und dies durch Dolmetscher auch überprüft. Ein netter Service der Polizei für einen reibungslosen Ablauf also – ob man den jetzt immer buchen kann, sollte vielleicht mal eine Kölner Antifa-Gruppe ausprobieren.
Ganz reibungslos verliefen die Demonstrationen ohnehin nicht in allen Städten. Besonders in Köln und Stuttgart gab es Auseinandersetzungen mit antifaschistischen Gegendemonstranten. In Stuttgart wurde die rechte Demonstration mit Steinen und Böllern angegriffen. Linke Protestierende versuchten, Barrikaden zu errichten. In Köln kam es immer wieder zu wechselseitigen Angriffen. Bereits kurz nach Beginn der türkischen Demonstration, die von Parolen wie »Takbir – Allahu akbar« (Gott ist groß) und »Kindermörder PKK« dominiert wurde, versuchten etwa 100 kurdische Gegendemonstranten, auf die Route des Aufmarsches zu gelangen. Dabei warfen sie Flaschen und Feuerwerkskörper. Der Polizei gelang es zunächst noch, beide Seiten zu trennen – im weiteren Verlauf der Demonstration misslang ihr das aber mehrfach. Rund um den Dom bewarfen sich die Pro- und Anti-Erdoğan-Demonstranten gegenseitig mit Flaschen und es gab mehrere Schlägereien. Die Polizei drohte den nationalistischen Demonstranten den Einsatz von Wasserwerfern an. Es dauerte, bis sich die Situation in der Innenstadt beruhigte.
Am Sonntagabend gab es allerdings noch eine Auseinandersetzung im Stadtteil Mülheim. Hier sollen 50 kurdische Demonstranten einen Autofahrer wegen eines Graue-Wölfe-Symbols angegriffen haben. Nach Darstellung kurdischer Aktivisten hingegen soll der Autofahrer absichtlich versucht haben, Menschen zu überfahren. Die Polizei rückte noch einmal mit einem Großaufgebot aus und nahm die Personalien aller Menschen in einem kurdischen Vereinsgebäude auf.
Dem AYTK ist es am Wochenende jedenfalls nicht gelungen, ein breites Bündnis aus konservativen AKP-Anhängern und faschistischen Nationalisten herzustellen. Für die Anhänger der AKP dürfte das Auftreten von rechten Rockern wie dem Turan e. V. (Jungle World 14/2016) oder den »Osmanen Germania« zu martialisch und zu sehr an kriminelle Gangs angelehnt sein. Bei einer weiteren Zuspitzung des Konflikts in der Türkei ist aber damit zu rechnen, dass auch diese Menschen auf die Straße gehen. Auf der anderen Seite sind die linken Kurden meist auf sich alleine gestellt. Deutsche Antifaschisten haben zum Großteil noch nicht erfasst, dass Demonstrationen wie am Sonntag deutschen Naziaufmärschen inhaltlich in nichts nachstehen.