Die »Panama Papers

Panama ist überall

Die Enthüllungen aus den geleakten »Panama Papers« sind kaum überraschend. Sie verdeutlichen vor allem, nach welchen Spielregeln die Kapitalvermehrung funktioniert.

Weltweit ist die Aufregung groß, seit immer weitere Einzelheiten aus den »Panama Papers« bekannt werden. Dem geleakten Datensatz ist zu entnehmen, wessen Vermögen in Briefkastenfirmen in dem mittelamerikanischen Land versteckt sind. Die chinesische Regierung hat jede Berichterstattung über diese Papiere verboten, wohl wissend, dass etliche »Tiger«, hochrangige korrupte Funktionäre, davon betroffen wären. Der russische Präsident Wladimir Putin wiederum sieht in den Leaks einen Versuch, sein Land zu destabilisieren und vorrevolutionäre Zustände zu schaffen. »Dieses Vorgehen erinnert an die tragischen Jahre des Ersten Weltkrieges, als das Land zerfiel«, warnte er vergangene Woche. Weil in den Papieren keine US-Bürger auftauchen, wettert auch Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Partei »Die Linke«, auf Facebook gegen die »manipulative Meinungsmache der westlichen Mainstream-Medien«.
Um in den Enthüllungen eine große Verschwörung westlicher Medien zu entdecken, braucht es aber sehr viel Phantasie. Ob Nordkorea oder Island, es gibt kaum ein Land, in dem Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung nicht verbreitet wären. So muss sich derzeit der britische Premierminister David Cameron ebenso rechtfertigen wie der konservative argentinische Präsident Mauricio Macri (siehe Artikel auf dieser Seite), während der isländische Ministerpräsident bereits zurückgetreten ist.
Auch in Deutschland sind Steuerflucht und Geldwäsche nicht unüblich. Erst vor zwei Jahren wurde durch die sogenannten Luxemburg-Leaks die einschlägige Praxis deutscher Unternehmen bekannt. Und wer sein Vermögen staatlichen Kontrollen entziehen will, hat es in Deutschland besonders einfach. Einer Studie des Finanzministeriums zufolgen werden in Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro Schwarzgeld gewaschen. Alle während des »arabischen Frühlings« gestürzten Potentaten verfügten über Konten in Deutschland.
Die Enthüllungen aus den »Panama Papers« sind daher wenig überraschend, sie dokumentieren eher, was viele sowieso schon vermuteten. Ebenso erwartbar sind die Rufe nach härteren staatlichen Maßnahmen, die nun überall ertönen. Dabei sind Täter und Verfolger so eng miteinander verbunden, dass man sie oft nicht mehr unterscheiden kann. Schließlich gehört es zur unternehmerischen Pflicht und zum bourgeoisen Selbstverständnis, Geld unter allen Umständen zu mehren. Dass die Bürger gleichzeitig als citoyen dem Gemeinwohl verpflichtet sind, steht dazu im dauerhaften Gegensatz.
Gänzlich aufheben lässt sich der Widerspruch nicht, denn der Egoismus des Einzelnen gilt als Voraussetzung für das Gemeinwohl aller. Selbst wenn es gelingen sollte, alle Steueroasen dieser Welt zu schließen, würden wohl schnell andere Schlupflöcher entstehen. Apple und Google machen es schon heute vor, wie man höchst erfolgreich sein kann und trotzdem kaum Steuern zahlen muss. Und zwar ganz legal.
Den staatlichen Akteuren bleibt nicht viel anderes übrig, als der privaten Vorteilsnahme hinterherzuhecheln. Weil dies wiederum alle wissen, lässt sich aus den Enthüllungen der fatale Schluss ziehen, dass für die Superreichen eben andere Regeln gelten als für den für den Rest. Wer darin nur ein moralisches Problem sieht, hat das Spiel nicht verstanden.