Jan Böhmermann hatte leichtes Spiel

Wozu die Zoten?

Jan Böhmermann fuhr schweres Geschütz auf, wo ein Nadelstich angebrachter gewesen wäre.

Im November 2014 bestellte das türkische Außenministerium den deutschen Botschafter ein und erhob Protest dagegen, dass die Cartoonisten Achim Greser und Heribert Lenz in einer Zeichnung eine Hundehütte mit dem Namenszug »Erdoğan« versehen hatten. Die Zeichnung war in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen und später in einem Schulbuch nachgedruckt worden. Die türkische Regierung erblickte darin eine Beleidigung der Ehre des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Mit Politikern, die so herrschsüchtig und zugleich so dünnhäutig sind wie Erdoğan, haben Satiriker ein leichtes Spiel: Wenn bereits ein kleiner Scherz zur Staatsaffäre aufgebauscht wird, lassen sich mit geringem Aufwand große Wirkungen erzielen, mit dem Nebeneffekt, dass sich das heftig überreagierende Opfer der Satire auch noch lächerlich macht. Souveräner verhielt sich Helmut Kohl in seiner aktiven politischen Zeit – er ignorierte selbst die gröbsten Attacken; an seinem undurchdringlich dicken Fell bissen sich alle Angreifer die Zähne aus. An Kohl hätte sich vor zehn Jahren auch der polnische Präsident Lech Kaczynski besser ein Beispiel genommen, anstatt die Staatsanwaltschaft zu bemühen, nachdem er von Peter Köhler in der Taz als »neue polnische Kartoffel« verulkt worden war.
Der Fernsehkomiker Jan Böhmermann hat nun das Dümmste getan, was ein Satiriker tun kann, wenn er sich einem so lachhaft leicht reizbaren Objekt wie Erdoğan widmet: Er hat in der ZDF-Sendung Neo Magazin Royale schwerstes Geschütz aufgefahren und Zoten gerissen, wo ein eleganter Nadelstich vollauf genügt und viel ergiebiger nachgewirkt hätte. Unter anderem hat Böhmermann Erdoğan unterstellt, dass er Kinderpornos schaue, Ziegen ficke, »Schrumpelklöten« habe und im übrigen »pervers, verlaust und zoophil« sei: »Der Kopf so leer wie seine Eier,/der Star auf jeder Gangbangfeier,/bis der Schwanz beim Pinkeln brennt.« Zuvor hat er sich mit der Bemerkung, dass eine in Deutschland unzulässige Schmähkritik folgen werde, juristisch abzusichern versucht.
Das ZDF hat sich von der Sendung distanziert, weil sie nicht den Ansprüchen entspreche, »die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt«, die Türkei verlangt eine Strafverfolgung, die Staatsanwaltschaft Mainz hat Ermittlungen aufgenommen, und Böhmermann bringt zu seiner Rechtfertigung vor, es handele sich bei seinem Schmähgedicht um »das Erkunden der Grenzen der Satire« und einen Beitrag zu einer »zivilgesellschaftlichen Debatte«. Tatsächlich hat Böhmermann dem türkischen Präsidenten ohne Not eine Steilvorlage geliefert und dessen politischen Gegnern einen schlechten Dienst erwiesen. Gegenüber Journalisten, die sich als Schlafzimmerspione betätigen, oder Despoten, die Prostituierte auspeitschen lassen, können satirische Schläge unter die Gürtellinie legitim sein, doch in Erdoğans Fall bestand nicht der geringste Anlass dazu.
Bei näherer Betrachtung des Schaffens von Jan Böhmermann verstärkt sich der trübe Eindruck, dass es ihm weder um Politik noch um Satire geht, sondern allein um die Befriedigung seines Geltungsdrangs mit den Mitteln eines Pipi-Kaka-Humors, der bei Dreijährigen noch niedlich sein mag, aber gewiss nicht bei einem ausgewachsenen Fernsehmoderator. »Scheißfutt« und »Fick dich doch selber, du dumme Futt, ey«, hat er der Komikerin Carolin Kebekus nach einem öffentlich zelebrierten Streit hinterhergeschrien, vor laufender Kamera, und sich damit als jemand erwiesen, dem man wahrhaftig allenfalls vor Gericht begegnen möchte.