Der Kampf um höhere Löhne im Friseurhandwerk

Besser abschneiden

Nach acht Jahren Stillstand fordern die Auszubildenden in Berliner Friseurbetrieben eine höhere Vergütung. Doch die zuständige Innung blockt ab.

Während die Vergütungen von Auszubildenden insgesamt in den vergangenen Jahren kontinuierlich stiegen – im Jahr 2015 zum vierten Mal in Folge bundesweit um 3,9 Prozent –, werden angehende Friseure und Friseurinnen weiter unterdurchschnittlich bezahlt. Dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zufolge liegt die durchschnitt­liche Ausbildungsvergütung über alle Berufe hinweg derzeit bei 826 Euro im Monat. Auszubildende im Friseurhandwerk verdienen hingegen durchschnittlich 496 Euro in West- und nur 269 Euro in Ostdeutschland. Zwar unterscheiden sich die Vergütungen in den verschiedenen Bundesländern teils erheblich voneinander. Um ein eigenständiges Leben unabhängig von der Unterstützung Dritter führen zu können, reicht es jedoch nirgendwo.
In Berlin wollen Azubis nun gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi höhere Löhne durchsetzen. Trotz kontinuierlich steigender Lebenshaltungskosten stagnieren die Vergütungen dort bereits seit 2008. Derzeit liegen sie in Berlin in den ersten beiden Ausbildungsjahren mit 265 Euro (Ost) und 315 Euro (West) unter der Geringverdienergrenze und im dritten Ausbildungsjahr bei 395 Euro. Die Azubis fordern stattdessen eine Vergütung von 410 Euro im ersten Ausbildungsjahr, 540 Euro im zweiten und 610 Euro im dritten, außerdem ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld von jeweils 200 Euro, die Erhöhung des Jahresurlaubs auf 25 Tage und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden.
Dafür traten sie in den vergangenen Wochen auch mit Aktionen an die ­Öffentlichkeit. So beteiligten sich etwa 100 angehende Friseurinnen an einem Flashmob durch Berlin. Die Berliner Friseurinnung verweist lediglich auf die Möglichkeit einer staatlichen Ausbildungsbeihilfe. Verdi lehnt das ab, würde es doch bedeuten, dass die Branche ihre Nachwuchsgewinnung zu großen Teilen aus Steuermitteln finanziert.
Die Auseinandersetzung hat auch über Berlin hinaus Bedeutung. In anderen Bundesländern stagnieren die Ausbildungsvergütungen im Friseurhandwerk teils ebenfalls seit Jahren. Wegen des geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrads der Beschäftigten in der Branche war es jedoch bisher kaum möglich, höhere Löhne durchzusetzen. Sollte dies in Berlin ­gelingen, könnte es auch den Bestrebungen, bessere Löhnen und Arbeitsbedingungen in anderen Teilen Deutschlands durchzustetzen, Auftrieb geben.
Im März fanden erste Verhandlungen zwischen Verdi und der Innung statt. Diese wies die Forderung nach Urlaubs- und Weihnachtsgeld ebenso entschieden zurück wie die nach einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden und einer Erhöhung des Urlaubs­anspruchs. Auch bei der Vergütung gab es keine Annäherung. Obwohl die Friseurinnung in der Vergangenheit gegen Billigfriseure wetterte und diese für die geringe Bezahlung ihrer Mitarbeiter kritisierte, legte sie den Azubis ein enttäuschendes Angebot vor. Für die ersten beiden Ausbildungsjahre bot der Branchenverband eine Erhöhung um 35 Euro auf 300 beziehungsweise 350 Euro, für das dritte Jahr eine Er­höhung um 55 Euro auf dann 450 Euro an. Damit blieben die Vergütungen weiterhin hinter denen in anderen Bundesländern zurück. So erhalten Auszubildende im dritten Ausbildungsjahr in Hessen mindestens 630 Euro, in Bayern 667 Euro.
Für die Berliner Auszubildenden im zweiten Lehrjahr hätte das Angebot sogar negative Auswirkungen. Da ihr Gehalt bisher unter der Geringver­dienergrenze von 325 Euro liegt, zahlen die Arbeitgeber bisher auch den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen. Das Arbeitgeberangebot würde für sie einen Nettolohnverlust bedeuten, da sie nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge nur noch 282 Euro bekämen. Die Arbeitgeber hingegen würden sogar 22 Euro monatlich sparen, da die Sozialversicherungskosten künftig zur Hälfte von den Azubis getragen werden müssten.
Für Verdi und die angehenden Friseurinnen ist das Angebot der Arbeitgeber nicht akzeptabel. Sie haben bereits weitere Maßnahmen angekündigt, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ob es dabei auch zu Arbeitsniederlegungen kommen wird, ist unklar. Ohne die billige Arbeitskraft ihrer Auszubildenden dürfte es einigen Berliner Friseurbetrieben schwerfallen, ihren Betrieb wie gewohnt aufrechtzuerhalten.