Kranke Olivenbäume in Italien

Feuer ins Öl

Das Feuerbakterium macht in Süditalien weiterhin den Olivenbauern zu schaffen. Vor Gericht und auf dem Land wird über die angemessenen Maßnahmen zur Eindämmung der Baumerkrankung gestritten.

Besonders aktiv war die Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) in dieser Saison in Italien bislang nicht, dennoch ist die von ihr ausgehende Gefahr keineswegs gebannt. Das Insekt gilt als ein Überträger des Feuerbakteriums (Xylella fastidiosa), das Olivenbäume absterben lässt. Fast drei Jahre nach der ersten Entdeckung befallener Bäume im Oktober 2013 haben sich Italien und die Europäische Union (EU) immer noch nicht auf eine angemessene Strategie zur Bekämpfung der »Xylella-Epidemie« geeinigt. Zunächst waren eine großflächige Isolierung der betroffenen Gebiete in Süditalien und die Rodung der Bäume beschlossen worden, 2015 wurde dann der Notstand ausgerufen (Jungle World 31/2015). Die Maßnahmen riefen Kritik und Pro­teste von Umweltschützern und Landwirtschaftsverbänden hervor. Gegen einige der involvierten Politiker und Wissenschaftler laufen Ermittlungen.
Wissenschaftliche Untersuchungen brachten kürzlich mehr Klarheit. »Xylella fastidiosa ist verantwortlich für die Krankheit, die die Olivenbäume in Süditalien zerstört«, stellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) am 29. März deutlich fest. In von der EFSA finanzierten und vom italienischen Nationalen Forschungsrat (CNR) durchgeführten Versuchen wurden verschiedene wichtige mediterrane Nutzgewächse wie Oliven-, Trauben-, Zitrus-, Mandel-, Pfirsich-, Kirsch- und Pflaumenpflanzen sowie Stein­eichen, Oleanderbüsche und myrtenblättrige Kreuzblumen dem Erreger ausgesetzt. Die beiden letztgenannten Pflanzen erlagen auch dem apulischen Stamm des Bakteriums. Diese Unterart wurde nach dem Syndrom »Rapides Komplexes Verdorren von Olivenbäumen« in Salento (Apulien) mit dem italienischen Kürzel CoDiRO bezeichnet, basierend auf der Hypothese, dass das Auftreten von Xylella und die Ausbildung der Krankheitssymptome in einem kausalen Zusammenhang stehen. »Der CoDiRO-Zweig von Xylella fastidiosa ist schuld am Olivenbaumsterben«, bestätigte Giuseppe Stancanelli, Leiter der Abteilung für Tier- und Pflanzengesundheit der EFSA.
Die Forschungsgruppe arbeitet daran, tolerante oder resistente Olivenbaumsorten zu finden, da die am weitesten im Salento verbreitete Sorte Cellina di Nardò anfälliger ist als die Sorten Coratina, Leccino und Frantoio. »Die Ergebnisse dieser Untersuchung räumen die Zweifel hinsichtlich der Gefahren von Xylella in der Europäischen Union aus dem Weg«, fasste Stancanelli zusammen. »Darum werden besondere Programme für die Kontrolle der Krankheit Teil des Forschungsfonds Horizont 2020 der EU sein.«
Während in der wissenschaftlichen Debatte über Xylella langsam Fortschritte zu verzeichnen sind, dauern die gerichtlichen Auseinandersetzungen an. Die Klage von 29 Bio-Olivenbauern in Apulien gegen den von der EU verordneten Quarantäneplan wegen Xylella fastidiosa scheiterte am 23. März vor dem Europäische Gerichtshof (EuGH). Die Vorwürfe, die EU-Regelungen seien dem Gefahrenniveau von Xylella unangemessen und der Plan beeinträchtige vor allem Bio-Oliven­bauern in unfairer Weise, wurden abgewiesen. Im Herbst und Winter vergangenen Jahres sind hingegen verschiedene von Bauern angestrengte Verfahren zu deren Gunsten ausgegangen. So entschied das Regionalgericht in Latium, dass die Quarantänepläne verhältnismäßig sein müssen, wodurch die Ländereien der Bauern verschont blieben. »Unrechtmäßig« nannte der italienische Staatsrat im Februar in einem Urteil die Rodungsauflagen und gab damit der Berufungsklage von elf Landbesitzern aus Trepuzzi in der apulischen Provinz Lecce statt. Im Rahmen der Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung Xylellas waren vom eigens eingesetzten Sonderkommissar Giuseppe Silletti Rodungen verfügt worden, denen Tausende Olivenbäume zum Opfer fielen.
Silletti trat von seinem Posten als Sonderkommissar im Dezember zurück, als Reaktion auf die Entscheidung des Bezirksstaatsanwalts von Lecce, das von der EU verordnete Quarantäneprogramm zu blockieren. Als ersten Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren hatte die EU im November Italien ein Schreiben gesandt, in dem der Regierung vorgeworfen wurde, den Auflagen zur Ausrottung des Bakteriums nicht ausreichend nachzukommen. Silletti wurde vorgeladen. Gegen ihn sowie weitere neun führende Mitglieder des CNR, Wissenschaftler und Beamte wird ermittelt. Die Vowürfe reichen von Verbreitung einer Pflanzenkrankheit über Verletzung von Umweltauflagen, Zerstörung oder Beschädigung natür­licher Kostbarkeiten bis zur Fälschung offizieller Dokumente. Einige italienische und internationale Publikationen wie Nature, Corriere della Sera und Internazionale kritiserten einen Zusammenstoß von Systemen, Wissenschaft gegen Justiz, und verteidigten mehr oder weniger engagiert die Wissenschaftler.
Ein neuer Plan, um die Krankheit einzudämmen, der das Fällen infizierter Bäume zu vermeiden sucht, werde in Kürze vorliegen, sagte Gianluca Nardone, der Leiter der vom apulischen Re­gionalpräsidenten Michele Emiliano eingesetzten Task Force. Nach letztem Stand der Dinge gehören zu den Maßnahmen intensiver Gehölzschnitt, beständige Beseitigung neuer Vegetation, Netze zum Schutz vor Insekten und spezielle Pflanzenschutzbehandlungen gegen den Überträger, die Wiesenschaumzikade. Bei Brutstätten soll das Entwurzeln nur in besonderen Fällen ausgesetzt werden, etwa bei altersgeschützten Olivenbäumen.
Der Kampf gegen Xylella verursacht ökonomische und ökologische Schäden, einschließlich des Verlusts von Arbeitsplätzen. Bauern, die Ausrottungsmaßnahmen vornehmen mussten, verdienten Entschädigungen »für ihre Einkommensverluste, um in der schwierigen Zeit über die Runden zu kommen«, sagte Amanda Cheesley, eine Sprecherin von Copa-Cogeca, einer Bauernvereinigung in Brüssel, der Deutschen Welle.
Einige alternative und lokale Medien diskutierten ausführlich Möglichkeiten natürlicher oder traditioneller Heilmethoden, jedoch ohne greifbare Ergebnisse, und ließen sich in verschwörungstheoretisch anmutenden Debatten über multinationale Konzerne und die Interessen von Gentechnologie­unternehmen aus. Bislang ist jedoch keine gentechnisch veränderte Olivenpflanze auf dem Markt. In den nächsten zwei Jahren soll hingegen tunesischem Olivenöl der Zugang zu EU-Märkten erlaubt werden, einige stellten deshalb eine sinistre Verbindung zur Xylella-Krise her.
Als »irreführend und unwahr« verurteilte Marilù Mastrogiovanni der­artige Verschwörungstheorien im Gespräch mit der Jungle World. Die investigative Journalistin ist die Autorin des »Xylella Report«, im März wurde sie für ihr beständiges Engagement für den Schutz der Umwelt und der Region Salento mit dem Preis des Osservatorio Tecnico Galatinese ausgezeichnet. Ob bei der Xylella-Bekämpfung Vorsatz oder Nachlässigkeit der Behörden vorlag, müsse noch überprüft werden, sagte die Journalistin und wies darauf hin, dass der Xylella-Notstand der Mafia Möglichkeiten zur Geldwäsche biete. Sie hielt des Weiteren fest, dass Immobilienspekulation seit 2104 zwar definitiv eine Konsequenz der Xylella-Krise sei, aber nicht deren Ursache. Die »Silletti-Strategie« resultierte, wie Mastrogiovanni während einer Anhörung im Senat am 16. Januar kritisierte, in der Zerstörung von 2 030 Bäumen, von denen nur acht positiv auf eine Xylella-Erkrankung ge­testet wurden – das entspricht im Durchschnitt 3,5 Hektar Rodungsfläche pro erkranktem Baum. »Sie schaffen eine Wüste und nennen das Frieden«, kommentierte sie Tacitus zitierend diese Strategie.
Die Journalistin, die seit 2013 zum Fall Xylella arbeitet, erwähnte fragwürdige Details der Ausrottungsmaßnahmen; so gebe es nicht das übliche, für 15 Jahre geltende Bauverbot, eine »Zona non aedificandi« in den baumfreien Gebieten. Erst am 31. März bewilligte der Regionalrat ein Gesetz, das Änderungen des Raumnutzungsplans und der Bebauung bis zu sieben Jahre nach der Abholzung der Olivenbäume verbietet.
Mastrogiovanni schlägt vor,»mit dem Bakterium zu koexistieren, auch wenn Xylella als schädlicher bakterieller Organismus vom Grad A1 eingestuft wird, der einer Quarantäne unterliegt«. Sie hofft, dass die verschiedenen Untersuchungen Ergebnisse liefern, etwa aus der jahrelangen Zusammenarbeit zwischen der Universität von Foggia und dem landwirtschaftlichen Unternehmerverband Coopagri. Untersucht wird dabei der Gebrauch von natürlichen Substanzen, um die Abwehrmechanismen der Bäume zu stärken und den Boden mit Nährstoffen zu versorgen, der derzeit im Durchschnitt weniger als ein Prozent organische Substanzen enthält. »Technisch gesehen ist das beinahe Wüstenboden«, so Mastrogiovanni.