Sexismus in der Werbung

Victim Blaming nach Maas

Von Hello Kitty zur Gewaltnacht in Köln. Für den Justizminister soll Sexismus in der Werbung schuld sein.

Kein Minister reklamiert soviel Glamour und Sexyness für sich wie Heiko Maas. Für das Männermagazin GQ ließ sich der Bundesjustizminister im engen Racebody vor seinem Carbonbike fotografieren, plauderte seine persönlichen Bestzeiten aus und gab Tipps für die maskuline Selbstoptimierung. In der Redaktion des »Männermagazins für Style und Anspruch« kam er damit offenbar so gut an, dass GQ ihn gleich noch zum bestangezogenen Mann 2016 kürte. Frauen dagegen präsentiert das Heft lieber unbekleidet auf langen Bildstrecken renommierter Fotografen. GQ ist ein Magazin mit – im Wortsinne – geschlechterdiskriminierendem Content. Damit hat der Minister seine Imagekampagne exakt in jenem Umfeld platziert, das er demnächst unter Aufsicht stellen will. Nach Maas‘ Willen werden künftig geschlechterdiskriminierende Darstellungen auf Anzeigen und in Spots verboten. Werbung, die Frauen oder Männer als Sexualobjekte zeigt, soll aus den Medien und der Öffentlichkeit verschwinden. Provokativ posierende Models sind also auch dann ein Fall für die Gerichte sein, wenn es – wie in den Beiträgen von GQ – um die andeutungsweise Verführung zu einvernehmlichem Sex geht.
Bei der Ausarbeitung seines Gesetzentwurfs hat sich der Minister offenkundig nicht von den Marketingprofis der GQ, sondern eigenen Angaben zufolge von der Gruppe »Pinkstinks« beraten lassen, die für eine Zensur sexistischer Werbung eintritt, weil sie einen engen Zusammenhang zwischen dem Hello-Kitty-Spielzeug kleiner Mädchen und der Gewalt gegen Frauen erkannt haben will. Die Zusammenarbeit von Pinkstinks und Maas ist insofern erstaunlich, weil die Initiative lediglich durch Kampagnenarbeit, nicht aber durch wissenschaftliche Forschungstätigkeit aufgefallen ist. Der Entwurf des Ministeriums trägt dann auch deutliche Züge von Aktionismus. Nach bestehender Gesetzeslage kann bereits heute gegen menschenverachtende Reklame vorgegangen und Beschwerde beim Werberat eingelegt werden. Aber das reicht dem Minister nicht mehr aus. Wenn »Nacktheit übertrieben herausgestellt« oder keinen »sozial akzeptablen Zusammenhang« hat, soll das Verbot greifen. Sexismus wie im Fall einer unbekleideten Frau, die eine Autofelge streichelt, gehört aber inzwischen eher zu den Marketingunfällen in Mittelstandsunternehmen, ­deren Einfluss auf die Herausbildung von Rollenbildern marginal ist. Zwar verzeichnet der Werberat inzwischen mehr Beschwerden wegen sexistischer Darstellungen als in der Vergangenheit, was aber vor allem an einem sensibleren Beschwerdeverhalten liegt. Das zwingt die Branche, ihre Rollenmodelle zu überprüfen. Einen Grund, die Werbung unter Aufsicht zu stellen, gibt das aber noch nicht her.
Die Begründung für strengere Auflagen ist dann auch eine andere und sie ist abstrus. Zur Rechtfertigung des Verbots wird ausgerechnet der massenhafte sexuelle Missbrauch in der Silvesternacht herangezogen. Die Vorkommnisse zeigten die Notwendigkeit an, zukünftig ein »moderneres Frauenbild« zu präsentieren. Maas beruft sich damit auf dieselbe Logik des Victim Blaming wie der überforderte Schulleiter, der seine Schülerinnen im Sommer vergangenen Jahres aufgefordert hatte, sich nicht allzu freizügig zu kleiden, um »kulturellen Missverständnissen« bei den auf dem Schulgelände untergebrachten Flüchtlingen vorzubeugen. Das aber geht in die falsche Richtung. Die von Maas als »zeitweiliger Zivilisationsbruch« bezeichneten Übergriffe sind das Ergebnis eines aggressiv-patriarchalen Geschlechtermodells, das zwischen ehrbaren Frauen und Schlampen unterscheidet. Es wurde aber nicht durch Werbekonsum, sondern in der Sozialisation durch sexualfeindliche Kulturströmungen und religiöse Regime erworben. Eine Verbindung zwischen der Kölner Silvesternacht und der Werbung herzustellen ist deshalb genauso abwegig, wie den Zusammenhang zwischen einer nackten Frau und einer Auto­felge zu behaupten.