Das Bundesverfassungsgericht hat das BKA-Gesetz kassiert

Der lange Arm des Gesetzgebers

Das Bundesverfassungsgericht hat das BKA-Gesetz kassiert. Kritiker freuen sich, die Behörden sind verärgert.

Vergangene Woche erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weite Teile des sogenannten BKA-Gesetzes für verfassungswidrig. »Ein Sieg der Verhältnismäßigkeit«, freute sich die Zeit. »Ein Meilenstein des Datenschutzes«, jubelte der Deutschlandfunk. Das »Gesetz zur Abwehr von Gefahren des ­internationalen Terrorismus« war 2008 verabschiedet worden und hatte bereits während der Ausarbeitung heftige Kritik hervorgerufen. Präventive Überwachung, weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre, mangelnder Schutz von Ärzten, Anwälten und Journalisten, fehlende Trennung von Geheimdienst und Polizei – dies waren nur ­einige der Kritikpunkte, deren Korrektur das oberste Gericht nun erwartungsgemäß einfordert.
Jetzt ist der Rechtsstaat wieder in Ordnung – so die mehrheitliche Meinung der Kommentare. Dabei findet eines erstaunlich wenig Beachtung: Seit Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2009 sind über sieben Jahre vergangen. Sieben Jahre, in denen das Bundeskriminalamt außerhalb der rechtsstaatlichen Grenzen abhörte, überwachte und ausspähte – trotz der bereits 2009 eingereichten Verfassungsklage. Den Gesetzgebern war ebenso wie dem BKA durchaus bewusst, dass sie in einer Grauzone operierten. Doch der amtierende Innenminister pflegt offenbar ein ähnlich schwieriges Verhältnis zum Rechtsstaat wie sein Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU), der das Gesetz initiiert hatte; das zeigt die Reaktion auf das Urteil. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, »ständig dem Gesetzgeber in den Arm zu fallen«, polterte Thomas de Maizière (CDU) diese Woche im Spiegel. Seit 2001 hat das BVerfG in 14 Fällen Sicherheitsgesetze bemängelt oder für nichtig erklärt. Das rechtsstaatliche Korrektiv scheint dringend nötig.
Zugleich scheint die nachträgliche Korrektur längst fest eingeplant zu werden. Man schlägt über die Stränge, kassiert dann eine Rüge, konnte aber zuvor jahrelang – verfassungswidrig – Informationen sammeln. Besonders deutlich lässt sich dies bei der Bekämpfung linker Personen und Gruppen mit den Paragraphen 129 und 129a (»Bildung krimineller« bzw. »terroristischer Vereinigungen«) aufzeigen: Kaum ein Ermittlungsverfahren hielt der Überprüfung durch die Gerichte stand. Die repressiven Maßnahmen, wie beispielsweise Rundumüberwachungen oder die bundesweiten Razzien vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007, waren dann aber längst geschehen.
Vielleicht mag man wenig Mitleid haben, wenn Sympathisanten des islamistischen Terrors ohne konkreten Verdacht in das Visier der Ermittler geraten. Nur haben sich Antiterrormaßnahmen stets auch gegen die radikale linke Opposition gerichtet. Schließlich haben Polizei und Geheimdienste auch einen politischen Auftrag. Worin dieser offensichtlich nicht besteht, zeigt der NSU-Skandal. In diesem Fall war das Bedürfnis, die widerrechtlich zur Verfügung stehenden Überwachungsmaßnahmen auch gegen Rechtsterroristen einzusetzen, bekanntermaßen nicht groß. Das Urteil des BVerfG sollte angesichts all dessen nicht als Beleg für das Funktionieren des Rechtsstaates angesehen werden. Vielmehr zeigt es, dass sich die Regierung beim Schutz des Rechtsstaats vor tatsächlichen oder vermeintlichen Terroristen reichlich wenig um den Rechtsstaat schert.