Der antisemitische französische Autor Kémi Séba auf Lesetour

Der schwarze Stern strahlt antisemitisch

Der wegen antisemitischer und rassistischer Aussagen verurteilte französische Autor Kémi Séba stellt auf einer Lesetour durch Europa sein neues Buch vor. Aus seinem geplanten Auftritt in Deutschland wird jedoch nichts.

»Obscure Époque« (Dunkle Epoche) heißt Kémi Sébas neues Buch. Der französische Autor bezeichnet es als eine geopolitische Fiktion, inspiriert von realen Ereignissen. Die Handlung verläuft so: Neonazis und schwarze Nationalisten bekriegen sich in den Straßen von Paris, bis sie herausfinden, dass sie von der Regierung instrumentalisiert werden, die Chaos stiften will. Die Gangs bilden daraufhin eine »Volkspolizei«, die den Kampf gegen die »wurzellose Finanzelite« aufnimmt. Nachdem sie einen Pädophilenring gesprengt haben, der von einem »beschnittenen« russischen Gangster geführt wurde, finden die Kämpfer für die Wahrheit heraus, dass die USA, der Mossad und die arabischen Golfstaaten hinter den jüngsten islamistischen Attentaten in Europa stecken. So weit, so antisemitisch.
Séba hat sein Buch im Rahmen einer Lesetour bereits in Frankreich, Marokko, Belgien und England vorgestellt. Am 7. Mai sollte der 34jährige auch in Nürnberg lesen. »Wir wussten nichts von dieser Veranstaltung«, sagt Erman Erol, der Leiter des städtischen Kulturzentrums Villa Leon, der Jungle World. Der Verein »Bantu Development Initiative« habe zwar einen Raum für ein Gruppentreffen buchen wollen, von einer Lesung sei jedoch nicht die Rede gewesen. Ein Mietvertrag sei nie unterschrieben worden. »Wir haben dem Verein klargemacht, dass er in der Villa Leon nicht willkommen ist.« Nachdem ein Hinweis eingegangen sei, habe man dem Verein Hausverbot erteilt, sagt Erol.
Die »Bantu Development Initiative« will der Eigenbeschreibung zufolge den interkulturellen Dialog zwischen Deutschland und Afrika, insbesondere Kamerun, fördern. Bereits 2015 referierte Séba im benachbarten Erlangen, wo »Kasen« (Kamerunischer Verein im Raum Erlangen-Nürnberg) als Veranstalter auftrat. Vorstand war damals Yannick Guetse, der mittlerweile der »Bantu Development Initiative« vorsitzt. »Wir werden die Veranstaltung absagen. Wir wollen als Verein Menschen zusammenbringen. Ich weiß, dass Kémi Séba sich in der Vergangenheit antisemitisch und rassistisch geäußert hat. Davon distanziert er sich jedoch heute«, teilte ein Vereinsmitglied auf Anfrage mit.
Auf die kritische Berichterstattung über die geplante Lesung reagierte Séba in der vergangenen Woche auf Facebook. »Der Besuch Kémi Sébas versetzt die Nürnberger Zionistenlobby in Panik. Das Buch ›Obscure Époque‹ macht ihnen Angst. Kein Siedler wird den afrikanischen Widerstand aufhalten können«, schreibt der angeblich geläuterte Séba.
Die internationalen Instituionen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation, die »von Zionisten gehalten werden, zwingen Afrika und seiner Diaspora derart beschissene Lebensbedingungen auf, dass das Konzentrationslager Auschwitz als Paradies auf Erden erscheinen könnte«, schrieb Séba im Jahr 2007 auf seiner Website. Unter anderem deshalb wurde er in Frankreich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die Schweiz verhängte ein Einreiseverbot. Séba heißt mit bürgerlichem Namen Stellio Capo Chichi, sein Pseudonym bedeutet »schwarzer Stern«. Er bezeichnet sich selbst als »panafrikanischen Ideologen« und hat sich in der Vergangenheit für die »Rassentrennung« ausgesprochen. Der französische Staat verbot 2006 seine Politsekte Tribu Ka ebenso wie 2009 die nach ihm benannte Nachfolgeorganisation wegen rassistischer und antisemitischer Agitation. Tribu Ka propagierte, die Völker der altägyptischen und nubischen Hochkulturen seien »Kemiten« gewesen, deren Nachfahren heutzutage ein auserwähltes Volk und natürliche Führer der Menschheit seien. »Kemiten« ist ein Neologismus für Schwarzafrikaner, der offensichtlich an das Wort »Semiten« erinnern soll (Jungle World 31/2006).
Seinen Antisemitismus tat Séba auch in einem besonderen Fall kund. 2009 wurde Youssouf Fofana vor Gericht gestellt. Er war der Anführer der kriminellen Pariser Bande »Gang der Barbaren«, die 2006 den jungen Juden Ilan Halimi aus antisemitischen Motiven entführt, gefoltert und ermordet hatte. In einer E-Mail bedrohte Séba jüdische Organisationen: »Wenn ihr jemals in Versuchung geratet, unserem Bruder auch nur ein Haar zu krümmen, statt ihn ein faires Verfahren haben zu lassen, dann werden wir uns sorgfältig um die Schläfenlocken eurer Rabbiner kümmern.«
Séba war außerdem Generalsekretär und Präsident des Mouvement des Damnés de l’Impérialisme (Bewegung der Verdammten des Imperialismus, MDI). Die Organisation ging Bündnisse mit französischen Rechtsextremen ein, was Séba folgendermaßen erklärte: »Die Wut, die seit 20 Jahren in den Banlieues kocht, ist durch die zionistischen Laboratorien wie SOS Racisme und Co. kanalisiert und auf den idealen Sündenbock in Gestalt der nationalen Rechten umgeleitet worden. Ich selbst bin im Geiste des Hasses auf diejenigen, die ihr Land lieben, erzogen worden – bis ich die Augen öffnete und jene erkannte, die uns manipulieren, also die Zionisten.« MDI pflegte darüber hinaus Kontakte zur Hizbollah.
Séba lebt seit 2011 im Senegal und war dort unter anderem als politischer Analyst für einen Fernsehsender tätig. Vergangenes Jahr besuchte der Islamkonvertit den ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, um über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit südlicher Länder im Kampf gegen den westlichen Imperialismus zu konferieren. Séba ist zudem Mitglied des französischen Ablegers der US-amerikanischen antisemitischen Sekte Nation of Islam und Sprecher der New Black Panther Party, die ebenfalls Antisemitismus und schwarzen Separatismus vertritt.
2014 stand der Autor auf der Gästeliste des »Kongresses der Dissidenz«, der von jüdischen Organisationen als »antisemitisches Fest des Hasses« bezeichnet und vom Bürgermeister von Anderlecht verboten wurde. In der belgischen Stadt sollte neben dem bekannten französischen Antisemiten Alain Soral auch Dieudonné M’bala M’bala auftreten. Sébas Sekte Tribu Ka hatte sich 2006 mehrmals im Theater des antisemitischen Komikers in Paris getroffen. Die beiden Männer suchten damals gemeinsam den Weg in die Öffentlichkeit. Offiziell distanzierte sich der weitaus bekanntere Dieudonné im Zuge des Verbots von Tribu Ka von Séba. Kurz darauf konnte dieser jedoch in Dieudonnés Theater ein Stück auf die Bühne bringen. Und in den folgenden Jahren bezeichnete die französische Presse den ehemaligen Anführer von Tribu Ka weiterhin als Vertrauten des Komikers.
Den Abschluss seiner Lesetour wollte Séba aber nicht in Dieudonnés Pariser Theater vor heimischem Publikum absolvieren, sondern in Nürnberg. Das vorgesehene Finale entfällt nun. So muss der Autor höchstwahrscheinlich am Samstag dieser Woche in Florenz vorzeitig seine Vortragsreise beenden.