»Eine Querfront der westdeutschen Ossi-Versteher«

Am 5. Mai möchte ein antifaschistisches Bündnis unter dem Motto »Straight to hell! Weg mit den braunen Zonen! Weg mit der AfD!« im thüringischen Bornhagen demonstrieren. In dem Dorf wohnt der AfD-Politiker Björn Höcke, dort erhielt die Partei in den Landtagswahlen 2014 36,5 Prozent der Stimmen. Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (»Die Linke«) hat sich gegen die Demonstration ausgesprochen und den Anmeldern »Nazimethoden« vorgeworfen. Stephan Maßdorf vom Demonstrationsbündnis hat mit der Jungle World gesprochen.

Ist Höckes Haus das Ziel Ihrer Demonstration?
Nein, es war auch nie das Ziel. Die Route sollte nie an Höckes Haus vorbeiführen. Bodo Ramelow hat irgendwann die Behauptung aufgestellt, Bornhagen sei so klein, dass die Demonstration zwangsläufig an dem Haus vorbeiführen müsse. Er kennt sich in dem Dorf, über das er so gut Bescheid zu wissen glaubt, offensichtlich nicht besonders gut aus.
Welche Gründe außer der Sorge um Höckes Privatsphäre hat Ramelow für seine Einmischung?
Ramelows Hauptargument war zu Beginn der Schutz des Wohnhauses und der Familie Höcke. Wer seine Einträge bei Facebook verfolgt hat, hat aber sicher gemerkt, dass es ihm auch um den Aufruf zur Demonstration ging. Er ließ durchblicken, dass er als Landesvater seine Schäfchen verteidigen will. Im Aufruf werden die thüringische und die weitere ostdeutsche Bevölkerung keinesfalls von Kritik verschont, sondern vielmehr als zentraler Teil des Problems benannt. Wäre der Aufruf anders formuliert, hätte sich Ramelow wahrscheinlich nicht daran gestört.
Welche Formulierung wäre besser angekommen?
Wäre der Aufruf vom typischen Aufklärungsimpetus gekennzeichnet, bei dem es nicht um die Kritik an den Bewohnern in Bornhagen und ihrer Wahlentscheidung für die AfD geht, sondern um den Hinweis, dass Flüchtlinge doch gar nicht so schlimm seien, würde der Ministerpräsident vielleicht mitlaufen.
In einem Youtube-Video wirft Ramelow Vertretern Ihres Bündnisses Arroganz vor. Weshalb?
Auch die Beschimpfung »autonome Arschlöcher« ist gefallen. Ramelow dürfte sich persönlich getroffen fühlen. Er ist, wie Björn Höcke auch, aus dem Westen in den Osten gekommen und hat sich in Verhältnissen eingerichtet, die wir kritisieren. Er hat also etwas mit Höcke gemeinsam. Da hat sich eine Querfront der westdeutschen Ossi-Versteher gebildet. Beide können sich mit dem Gemeinschaftskult, der hier herrscht, ganz gut arrangieren.
Wie steht es insgesamt um das Verhältnis der Linkspartei zur AfD in Thüringen?
Abgesehen von einigen Punkten unterscheidet die Parteien sehr wenig, selbst in der sogenannten Flüchtlingsfrage: Man muss sich nur anhören, was Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht dazu sagen. Bodo Ramelow hat als Ministerpräsident beispielsweise den Winterabschiebestopp ausgesetzt. Deshalb ist die Linkspartei auch so hilflos im Umgang mit der AfD. Mehr als der Hinweis auf deren unsoziales Parteiprogramm kommt meistens nicht, was wiederum heißt: Wäre das Programm sozialer, hätte die Linkspartei offenbar kein Problem mit Höckes Partei. Alles, was die Linkspartei schon lange kennzeichnet und was auch Ramelow mit seinem Auftritt wieder unter Beweis gestellt hat – also ein autoritärer Politikstil, Verständnis noch für die schlimmsten Taten –, ist nicht weit weg von der AfD. Dazu gehören auch der Ost- und Regionalkult. Die Linkspartei hat damit den Nährboden geschaffen für die AfD.
Die AfD gibt es doch auch im Westen.
Das stimmt. Wir weisen in unserem Aufruf darauf hin, dass es eine Ostspezifik der AfD gibt. Hier ist sie wesentlich extremer, wesentlich – im Wortsinn – national-sozialistischer und auch stärker als im Westen. Ramelow und seine Partei gehen aber immer noch davon aus, dass die Ostdeutschen Opfer sind und manchmal zu rassistischen Meinungen und Taten getrieben werden. Und sie nehmen eine starke Verteidigungs- und Entschuldigungshaltung ein. Das gibt der »Linken« das Image der Kümmererpartei, was sie ebenfalls mit der AfD gemeinsam hat.