Razzia gegen Linke in Barcelona

Höflicher Bankraub

In Barcelona gab es erneut eine Razzia in einem besetzten sozialen Zentrum. Eine Anarchistin wird beschuldigt, Banken in Aachen überfallen zu haben.

Im besetzten sozialen Zentrum Los Blokes Fantasma in Barcelona ging einiges zu Bruch. Am 13. April stürmten maskierte Antiterroreinheiten der katalanischen Regionalpolizei das Gebäude und durchsuchten alle drei Stockwerke minutiös. Gleichzeitig wurden auch zwei Wohnungen in Barcelona durchsucht. Offizielles Ziel des Einsatzes war die Festnahme einer 35jährigen mutmaßlichen Bankräuberin mit italienischer und österreichischer Staatsangehörigkeit. Der Einsatz erfolgte aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft Aachen ausgestellten europäischen Haftbefehls vom 11. April. Die Frau wurde nach ihrer Verhaftung beim Strafgerichtshof für staatsgefährdende Verbrechen in Madrid vorgeführt. Richter Eloy Velasco ordnete Untersuchungshaft an.
Das Ganze kennt die Gefangene schon von ihrer letzten Festnahme im Rahmen der »Operación Pandora«. Bei Razzien in den Jahren 2014 und 2015 sowie der »Operación Piñata« im März 2015 wurden ebenfalls besetzte Häuser, Wohnungen und Arbeitsplätze durchsucht (Jungle World 46/2015). Vorgegangen werden sollte damit gegen die »Bildung einer kriminellen Organisation mit terroristischen Zielen«, die die Koordination anarchistischer Gruppen (GAC) angeblich darstelle. Alle 61 bei diesen drei Razzien Verhafteten sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß, meist gegen Kaution; das galt bis vor kurzem auch für die nun erneut Verhaftete. Da sie im laufenden Ermittlungsverfahren gegen die GAC beschuldigt ist und selbst angegeben habe, nicht ausgeliefert werden zu wollen, habe »unsere Verteidigung«, wie es in einer Erklärung von »GefährtInnen der Verhafteten« vom 15. April heißt, eine »Aufhebung des europäischen Auslieferungsbefehls gefordert, damit sie die Untersuchungshaft in Erwartung der im spanischen Staat anhängigen Gerichtsverhandlung verbringen kann«.
Bereits während der Durchsuchungen vom 13. April versammelten sich einige Menschen, um gegen die nunmehr vierte Antiterror-Razzia gegen die anarchistische Szene in Barcelona innerhalb von anderthalb Jahren zu protestieren. Dabei wurde auch ein Kameramann des Lokalsenders BTV von Protestierenden attackiert. Die linke Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, kritisierte diesen Angriff auf die Pressefreiheit. Vorausgegangen waren jedoch zahlreiche Berichte, die zur Kriminalisierung der anarchistischen Szene beigetragen hatten. So untersuchte ein linkes Zeitungskollektiv die Berichterstattung zur »Operación Piñata« und registrierte, dass in 74 Prozent aller Medienbeiträge auf die Unschuldsvermutung verzichtet wurde und die Verhafteten in Übernahme der Polizeidarstellung als »Terroristen« bezeichnet worden waren. Auch im Fall der am 13. April Verhafteten ist fast durchgängig von »der bewaffneten Bankräuberin« die Rede, von einer »Serie brutaler Überfälle« in Deutschland.
Am Tag nach der Festnahme wurde bei einer spontanen Solidaritätsdemonstration mit 500 Beteiligten durch Barcelonas Stadtteil Gràcia »rebellische Solidarität – nicht domestiziert, nicht geknebelt« gefordert, wie es auf dem Fronttransparent hieß. Bei drei Banken wurden später die Schaufenster eingeworfen. In der Solidaritätserklärung der »GefährtInnen« heißt es: »Für uns macht es keinen Unterschied, ob unsere Genossin für diese Überfälle verantwortlich ist oder nicht. Die Enteignung einer Bank ist eine ethisch richtige und politisch legitime Methode des Kampfes, die Teil der Geschichte aller revolutionären Bewegungen ist.«
Bisher kaum beachtet wurden die konkreten Tatvorwürfe. Es gab in Aachen in einem Radius von 600 Metern am 4. Juli 2012, am 8. Juli 2013 und am 19. November 2014 drei Banküberfälle, bei denen ähnlich vorgegangen wurde: Mit Perücken und Sonnenbrillen Verkleidete erreichten mit Schreckschusspistolen die Herausgabe von Bargeld und warfen nach der Tat die Verkleidung auf die Straße. Daran wurden später DNA-Spuren gefunden. Durch den Abgleich mit europäischen Datenbanken wurde angeblich DNA von zwei Frauen aus der Hausbesetzerbewegung in Barcelona gefunden. Im Juli 2015 wurde die erste bei einer Passkontrolle an der griechisch-bulgarischen Grenze festgenommen. Als Verdächtige des bewaffneten Banküberfalls vom 8. Juli 2013 saß sie ein halbes Jahr in Köln in Untersuchungshaft. Am 16. Dezember hob das Landgericht Aachen den Beschluss über ihre Untersuchungshaft auf, sie wurde entlassen. Die Richter hatten eine Prozesseröffnung aus Mangel an Beweisen abgelehnt. Die DNA-Spur trug nicht weit. Die Staatsanwaltschaft Aachen legte Berufung ein, demnächst soll es zur Anklage gegen diese Frau vor dem Oberlandesgericht in Köln kommen – ohne neue Beweislage.
Auch die zweite Verhaftung in Barcelona erfolgte nur aufgrund einer DNA-Spur. In der Sendung »Aktenzeichen XY … ungelöst« wurde der Aachener Fall reißerisch als »Bankraub extrem« betitelt. Dabei ging es nicht um vermeintliche Brutalität – durchaus »höflich« sei es zugegangen, wie ein Polizeisprecher der Aachener Zeitung nach Zeugenbefragungen im November 2014 berichtet hatte –, sondern um Geschlechterverwirrung. Der Aachener Kriminalhauptkommissar Hans Kessel strich es in der Sendung heraus: Der Kopf der Bande sei eine Frau!