Notizen aus Neuschwabenland, Teil 15

Frühling in Schnellroda

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Notizen aus Neuschwabenland, Teil 15: »Umvolkung« und »Lückenpresse«, Putin und Bismarck.

Im Winter wurde eifrig geschrieben. »Wunschdenken: Europa, Währung, Bildung, Einwanderung« heißt Thilo Sarrazins neues Werk, das wie die vorherigen bei der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Deutschen Verlagsanstalt erschienen ist. Akif Pirinçci wurde unterdessen bei Antaios aufgenommen, dem Hausverlag des Instituts für Staatspolitik (IfS). Dort erscheint gerade Pirinçcis neuestes Buch »Umvolkung«. Der Verlagsleiter Götz Kubitschek sieht im Vertrieb dieses Buches einen »Widerstandsakt« und empfiehlt den Kauf als ebensolchen. Seine Gattin Ellen Kositza hat das Buch in ihrer Rolle als Literaturkritikerin umgehend für »Kanal Schnellroda« auf Youtube rezensiert. So viel zur »unabhängigen« Presse von rechts. Auch die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit gefällt sich weiter in der Rolle des AfD-Parteiorgans. Sie verlinkte den Entwurf für das AfD-Grundsatzprogramm sowie das komplette Antragsbuch für den Parteitag am 30. April.
Im Kontext des Aufstiegs der AfD erscheinen regelmäßig Porträts rechter Protagonisten in den Medien. Nach der Homestory der Bunten über Frauke Petry und Marcus Pretzell schickte die FAZ ein Autorenteam nach Schnellroda – ins Heim von Kubitschek und Kositza. Die mittlerweile fernsehbekannte Hofziege muss einmal mehr für bäuerliche Atmosphäre sorgen, doch Neues erfährt man über die ländlichen Selbstversorger mit Nationalneurose nicht. Kubitscheks Magazin Sezession brachte anschließend zwei ausführliche Kritiken der Reportage mit der üblichen »Lückenpresse«-Litanei wegen angeblicher Auslassungen und Verzerrungen. Immerhin hat die Aufmerksamkeit der Medien in Schnellroda zu mehr Besuchern geführt. Um die Nachfrage in geordnete Bahnen zu lenken, öffnet nun einmal im Monat das »Café Schnellroda«.
Apropos »Lückenpresse«: Es ist fürwahr kein Vergnügen, sich wieder und wieder durch die Hervorbringungen des neurechten Diskurses zu wühlen. Umso mehr fiel das zeitweilige Verstummen einer ihrer originellsten Stimmen ins Gewicht, auf die auch der Begriff »Lückenpresse« zurückgeht. Das Blog Acta diurna des Focus-Redakteurs Michael Klonovsky war fast zwei Monate nicht aktiv. Nun ist bekanntgeworden: Klonovsky hat nach einem Streit um seine Nebentätigkeit beim Focus gekündigt und bei Frauke Petry angeheuert. Ob als Pressesprecher, wie offiziell verlautbart, oder als Aufpasser wird sich noch zeigen. Petry neigt zur inhaltlichen Beliebigkeit, ihr Interesse an Politik, heißt es, sei nicht zuletzt wirtschaftlich motiviert. Soll aus ihr wirklich noch eine Kanzlerkandidatin werden, ist der scharfzüngige Reaktionär Klonovsky nur nützlich.
Mit dem Frühling sind auch die internationalen Beziehungen erwacht. Tatjana Festerling von Pegida war beim Institut Iliade in Paris zu Gast, wo sich Anfang April führende Köpfe der europäischen »identitären Strömung« versammelten. Darunter waren auch die Antaios-Autoren Renaud Camus und Jean Raspail. Iliade wurde 2014 nach dem Tod des französischen Historikers Dominique Venner gegründet, der sich aus Protest gegen die sogenannte Homo-Ehe am Altar von Notre Dame erschossen hatte. Als »Institut pour la longue mémoire européenne« zählt es zur Nouvelle Droite, der französischen Originalvorlage für die Neue Rechte.
Deren Achse Paris-Berlin soll schon lange nach Moskau verlängert werden. Diesem Ziel dient das frisch gegründete »German Centre for Eurasian Studies«, dem der Chefredakteur der Monatszeitschrift Zuerst, Manuel Ochsenreiter, und der polnische Panslawist Mateusz Piskorski vorstehen. Letzterer war 2014 »Beobachter« des Krim-Referendums und gründete in Polen 2015 die prorussische rechte Partei Zmiana. Die Website des »Centre« fungiert als Plattform für die außenpolitischen Positionen der AfD und wartet hauptsächlich mit putinfreundlicher Propaganda auf.
Das ist in diesen Kreisen konsensfähig: Ochsenreiter wurde in seiner neuen Funktion bereits von der neurechten Nachwuchszeitschrift Blaue Narzisse interviewt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke warb vor dem AfD-Parteitag für einen deutschen Nato-Austritt. Allerdings diktierte Parteivize Alexander Gauland der Jungen Freiheit sogleich ein unschlagbares Gegenargument: »Ich bin mir sicher, würde Bismarck heute noch leben, wäre er für einen Verbleib Deutschlands in der Nato.«