Eine rechte Wende nach dem ungarischen Vorbild

Angeführt und ausgeraubt

Die FPÖ wird Teil des politischen Establishments in Österreich. Nun droht eine rechte Wende wie in Ungarn.

Um nicht von Rechtsextremisten zu sprechen, bevorzugen viele Politiker und Journalisten den euphemistischen Begriff Populismus. Doch mir widerstrebt es, zu Recht als rechtsextremistisch oder am rechten Rand befindlich geltende Parteien wie zum Beispiel die FPÖ in Österreich oder Jobbik in Ungarn nicht beim Namen zu nennen. Diese Parteien – die meisten von ihnen mit ausgezeichneten Verbindungen zu Russland – rufen zum Kampf gegen Neoliberalismus und Eliten auf. Sie sind in der Regel erfolgreich, weil sie vorgeben, auf das Volk zu hören und dessen Interessen zu vertreten. Das Volk wird als ethnisch rein und moralisch hochstehend herbeiphantasiert, ihm gegenüber stehe die verkommene Elite, die die Geschäfte der EU oder der USA besorge. Dass die Verkünder dieser Verschwörungstheorien hochbezahlte Politiker sind, die selbst zur Elite gehören, stört die Wähler nicht.
In Ungarn stellt sich die regierende Partei Fidesz als rechts und konservativ dar. Doch deren Anführern geht es im postkommunistischen Mafiastaat hauptsächlich darum, sich mit Hilfe der Mehrheit im Parlament legal zu bereichern. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung unter der radikalen Kürzung sozialer Leistungen leidet, lässt sie sich noch immer mit den angeblichen Erfolgen der Regierung Sand in die Augen streuen. Volksabstimmungen werden abgehalten, die ausgehen wie das Hornberger Schießen, die aber den Wählern das Gefühl geben sollen, die Politik beeinflussen zu können. Das Budapester Parlament hat am 10. Mai mehrheitlich für die Abhaltung einer Volksabstimmung über eventuelle künftige EU-Flüchtlingsquoten gestimmt. Für den Antrag der Regierung votierten die Abgeordneten von Fidesz und der rechtsextremen Partei Jobbik. Dies zeigt auch auf, was die konservativen Verbündeten von Fidesz nicht wahrhaben wollen, dass Fidesz und Jobbik sich wie kommunizierende Gefäße verhalten. Voraussichtlich im Herbst steht folgendes zur Abstimmung: »Wollen Sie, dass die EU auch ohne Zustimmung des Parlaments die zwingende Ansiedlung von nichtungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?« Ein Beispiel für eine rhetorische Frage.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der jede Woche die Zuhörer mit einer Radioansprache beglückt, gefällt sich in der Pose des Vertreters der ganzen Nation, die als angeblich ethnisch reine Gemeinschaft auf eine sakrale Ebene gehoben wird. Nation und Staat werden als das Allerwichtigste gepriesen und Orbán spricht in einem fort über die Kraft und den Kampf, den er im Namen der Nation führt. In Wirklichkeit als Putins Don Quijote gegen die EU-Windmühlen.
Verklausuliert verspricht in Österreich der im ersten Durchgang von 35 Prozent der Wähler gewählte Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Norbert Hofer, das Land zur illiberalen Demokratie zu machen. Und in dieser Lage zeigt die Sozialdemokratie, dass sie aus der Geschichte nichts gelernt hat. Zerstritten wie nie zuvor glauben die Genossen, mit einem Personenwechsel den Vormarsch der vermeintlich populistischen FPÖ aufhalten zu können. Sie und die konservative ÖVP haben es versäumt, einen konsequenten politischen Kampf gegen die FPÖ zu führen. Die FPÖ kann vor Wahlen die Themen vorgeben und die demokratischen Parteien bringen keine politischen Argumente vor. Darauf hinzuweisen, dass Österreich das erste europäische Land mit einem Präsidenten wäre, dessen stramm rechtsextreme Haltung bekannt ist und dem in ein paar Jahren wahrscheinlich auch eine solche Regierung folgen wird, schreckt Hofers Wähler nicht ab.
Manchmal – wenn ich Radio höre oder mir eine politische Sendung des ORF antue – habe ich das Gefühl, nach Jahrzehnten des Friedens und Wohlstands, mit dem auch Filz und Korruption einhergingen, haben viele Österreicher wieder den Wunsch, angeführt und ausgeraubt zu werden. Kärnten unter Jörg Haider und das ungarische Beispiel schrecken sie nicht ab.