Berlin Beatet Bestes. Folge 340.

Iz mir zu teuer

Berlin Beatet Bestes. Folge 340.

Kaum sind wir in Izmir angekommen, laufen wir auch schon durch die Stadt. Als erstes geht unsere türkische Freundin in einen geschäftigen ­Basar und präsentiert uns im ersten Stock ausgerechnet einen Second-Hand-Plattenladen. Meine Freundin ist sofort genervt. So hat sie sich das nicht vorgestellt. Sie will erst mal ankommen, sich akklimatisieren. Ich ehrlich gesagt auch, aber unsere Freundin hat es nur gut gemeint, denn sie sammelt selbst Platten. Und natürlich kann ich der Versuchung nicht widerstehen und krame sofort in den Regalen mit den Billigplatten vor dem Laden. Plötzlich mit Hunderten von türkischen Platten konfrontiert zu sein, ist allerdings etwas anstrengend. Ich erkenne einige Künstler und Labels wieder, aber das meiste ist mir fremd. Ich kann ja auch kein Türkisch.
Ich wage mich ins Innere des Ladens, dort sitzen zwei Männer, ein junger Bärtiger und ein Älterer mit langen grauen Haaren. Musik läuft nicht. Ich grüße freundlich und gucke mich um. Beide gucken mich teilnahmslos an. In dem kleinen Raum sind die Regale bis unter die Decke mit Platten vollgestopft. Alles alphabetisch geordnet. Nervig, denn ich suche keine bestimmten Künstler. Ich frage nach Jazz und Schellackplatten. Kopfschütteln. Die Atmosphäre ist irgendwie frostig. Feindselig. Ich fühle mich beobachtet. Die Blicke der beiden signalisieren: Verpiss dich, Wessi. Meine Freundin wittert ihre Chance: »Okay Andi, lass uns gehen.« Eingezwängt zwischen meiner fordernden Freundin und den unfreundlichen Plattenhökerern will ich dennoch nicht gleich aufgeben. Die Frauen beschließen, Kaffee trinken zu gehen.
Der Bärtige gibt mir ein Zeichen und legt eine Single auf den Plattenspieler. Türkischer Funk. Jetzt verstehe ich. Das weltweite Sammlerinteresse an türkischem Funk und Psych-Rock hat diese beiden Typen versaut. Sie wittern in mir nur einen weiteren Raritäten-Abgreifer, der ihre Scheiben von Cem Karaca, Barış Manço und Erkin Koray entführen will. Solch ein moderner Grabräuber stolpert sicher öfter in ihren Laden. Ich sage: »Ja, schöne Platte, aber Rockmusik interessiert mich nicht mehr«, und greife wahllos eine ­Single aus dem Regal und frage nach dem Preis. Der Grauhaarige guckt im Internet nach und sagt: 150 Lira. 50 Euro. Jetzt hab ich genug. So macht das keinen Spaß. In Izmir habe ich keine Platte gekauft.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.