Konservativ hoch zwei. Die neue Landesregierung in Baden-Württemberg

Konservativ mal zwei

Keine Rede von »Akzeptanz sexueller Vielfalt«, engere »Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche«, mehr Polizei – die neue baden-württembergische Regierung aus Grünen und CDU zeigt, wo es im Ländle langgehen soll.

In Stuttgart hat zusammengefunden, was zusammengehört: Grüne und christdemokratische Konservative bilden seit vergangener Woche die neue Landesregierung von Baden-Württemberg. Die Eigendarstellung als »verlässlich« und »innovativ«, »weltoffen« und »heimatverbunden« in der Präambel des Koalitionsvertrags suggeriert, dass hier gegensätzliche Auffassungen zu vereinen waren. Tatsächlich aber stand Winfried Kretschmanns Wiederwahl zum Ministerpräsidenten nie in Gefahr. Dass in einer Probeabstimmung der CDU mehrere Abgeordnete gegen die Koalitionsvereinbarung votierten, war kein Protest gegen das ausgehandelte Regierungsprogramm, sondern ein Misstrauensvotum gegen Thomas Strobl. Der CDU-Landesvorsitzende und neue Innenminister hatte bei der Kabinettsbildung die Karrierehoffnungen einiger Fraktionsmitglieder enttäuscht.
Kretschmann musste dagegen keine Unmutsäußerungen aus seiner Partei befürchten. Nach der Wahl von Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin gefielen sich die Grünen einmal mehr in ihrer Vorreiterrolle: die Stuttgarter Abgeordnete ist die erste Frau und erste Muslimin in diesem Amt. Aras selbst nannte ihre Wahl ein »Zeichen der Weltoffenheit, Toleranz und Gelingen von Integration«. In inhaltlichen Fragen zeigen sich die Grünen freilich als sehr verlässlicher Partner der CDU: Von einem im Bildungsplan zu ver­ankernden Leitprinzip der »Akzeptanz sexueller Vielfalt« ist keine Rede mehr. Bei der Betonung der besonderen Bedeutung der Familie kann der vage Zusatz »unabhängig von der konkreten Form des Zusammenlebens« als verschämte Anspielung auf alle nichtheterosexuellen Familienkonstellationen gelten. Mehr ist nicht zu erwarten von einer Landesregierung, die die »Gefahr laizistischer Fehldeutungen« vermeiden und die »Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche« fördern will.
Um das »Grundbedürfnis« nach Sicherheit zu gewähren, soll die Polizei um 1 500 neue Stellen aufgestockt und mit sogenannten Polizeifreiwilligen ergänzt werden. Die Einsatzkräfte sollen zukünftig Body-Cams tragen, jedoch weiterhin nicht anhand einer individuellen Kennzeichnung zu identifizieren sein. Das Alkoholverkaufsverbot nach 22 Uhr soll aufgehoben werden, der Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen darf aber verboten werden. Ferner sind Maßnahmen vorgesehen gegen Ordnungsstörungen wie »Pöbeleien, Respektlosigkeit, aggressives Betteln und ähnliches«.
Die AfD, stärkste Oppositionspartei im Landtag, sieht das »Land der Tüftler« dennoch in Gefahr. Christina Baum, die stellvertretende AfD-Landesvorsitzende, wertete in einem Interview mit dem SWR Aras’ Wahl zur Landtagspräsidentin als »klares Zeichen, dass die Islamisierung Deutschlands doch voll im Gang ist« und wiederholte ihre Befürchtung eines »schleichenden Genozids an der deutschen Bevölkerung durch die falsche Flüchtlingspolitik der Grünen«. Als Wolfgang Drexler, SPD-Abgeordneter und in der vorigen Legislaturperiode Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag, Baum mit Verweis auf die Hetzkampagnen ihrer Partei vor laufenden Fernsehkameras den Handschlag verweigerte, erhielt er per E-Mail die Drohung: »Wer gegen die AfD ist, muss ermordet werden.« Kretschmann hatte Baum zuvor freundlich die Hand geschüttelt, getreu seinem im Wahlkampf plakatierten Motto: »Regieren ist eine Stilfrage.«