Der iranische Kriegseinsatz in Syrien könnte ein Desaster werden

Das Vietnam des iranischen Regimes

Für das iranische Regime steht in Syrien viel auf dem Spiel, deshalb wurde der Kriegseinsatz zur islamisch-nationalen Pflicht erklärt. Doch die Intervention ist im Iran keineswegs populär.

Eigentlich gibt es ja keine iranischen Truppen in Syrien, nur »Militärberater«, wie Offizielle aus Teheran gegenüber europäischen Diplomaten immer wieder betonen. Immer schwerer allerdings fällt es ihnen zu erklären, warum dann Hunderte von diesen »Beratern« in Leichensäcken in den Iran zurückkommen und inzwischen selbst die Zeitungen der Revolutionsgardisten vermelden, dass Angehörige der Truppe in Syrien den »Märtyrertod« gestorben seien.
Es ist seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass Tausende iranischer Elitesoldaten vor allem im Norden des Landes kämpfen und Offiziere aus dem Iran auch eine Vielzahl schiitischer Milizen befehligen. Ohne die iranische Infanterie wären die Fronten im Norden und Zentrum des Landes vermutlich längst zusammengebrochen. Denn mit der Syrian Arab Army (SAA), der regulären syrischen Armee, ist kaum noch zu rechnen. Gerade einmal 70 000 Soldaten sollen noch einsatzfähig sein, an fast allen wichtigen Frontabschnitten kontrollieren inzwischen ausländische Truppen das Geschehen.
Über 700 Iraner sind jüngsten Berichten zufolge inzwischen in Syrien gefallen, darunter viele ranghohe Offiziere der Revolutionsgardisten. Für die mit dem Iran verbündete Hizbollah sieht die Lage keineswegs besser aus: Ein Drittel ihrer Kämpfer soll entweder getötet oder schwer verletzt worden sein. Erst jüngst starb bei einem Attentat in Damaskus Mustafa Badreddine, ihr wichtigster militärischer Planer.
Im Iran selbst ist der Kriegseinsatz in Syrien keineswegs populär, auch wenn die Regierung ihn nun zur islamisch-nationalen Pflicht erklärt hat. Sogar unter Revolutionsgardisten wächst der Unmut und Unwille, sich auf fernen Schlachtfeldern verheizen zu lassen. Es geht das Gerücht um, der bisherige Oberbefehlshaber der iranischen Truppen in Syrien und Kommandeur der al-Quds-Einheit der Revolutionsgarden, Qasem Soleimani, der noch bis vor kurzem als großer Stratege gefeiert wurde, solle durch den eigentlich längst pensionierten General Mohsen Rezaei ersetzt werden. Sollte sich dies bewahrheiten, würde die iranische Führung damit das Scheitern ihrer bisherigen Strategie eingestehen.
Allein bei einer Offensive islamistischer Rebellen unter Führung der al-Nusra-Front, bei der diese am 6. Mai das Dorf Khan Tuman zurückeroberten, kamen Dutzende Iraner und Hizbollah-Kämpfer ums Leben. Erstmals brachten die Rebellen panzerbrechende Milan-Raketen zum Einsatz, die vermutlich aus der Türkei stammten und gegen die die Iraner wenig ausrichten konnten. Überhaupt stockt die Offensive auf Aleppo, die die syrische und die iranische Regierung angekündigt hatten, um, wie es in der iranischen Propaganda hieß, die Rebellen endgültig zu besiegen.
Spätestens der Kampf um Khan Tuman hat gezeigt, dass dieser Krieg in absehbarer Zeit militärisch nicht zu gewinnen sein wird. Zwar kündigten sowohl die Hizbollah als auch der Iran an, weitere Truppen zu schicken, und versuchten, an anderen Frontabschnitten Gelände zu gewinnen, die martialischen Reden täuschen aber kaum darüber hinweg, dass man längst fürchtet, in einen teuren und langanhaltenden Abnutzungskrieg hineingezogen zu werden. Denn die Alliierten Bashar al-Assads müssen, wollen sie am Ende als Sieger dastehen, den Krieg gewinnen, die syrischen Rebellen dagegen brauchen ihn nur nicht zu verlieren. So lautet das Kalkül asymmetrischer Kriegsführung, wie die USA in Vietnam und die Sowjetunion in Afghanistan lernen mussten.
Und zum Vietnam beziehungsweise Afghanistan des Iran könnte sich Syrien durchaus entwickeln, auch weil sich das Regime, weit mehr noch als die verbündete russische Regierung, schon zu Beginn der Aufstände in Syrien darauf festgelegt hatte, dass Assad unbedingt an der Macht bleiben müsse. So ist die iranische Führung zur Geisel des syrischen Präsidenten geworden, der sich inzwischen ohne umfassende ausländische Unterstützung wohl keinen Monat mehr in seinem Palast halten würde. Sollte Assad stürzen, wären die mühsam errungenen Ergebnisse iranischer Nahostpolitik der letzten 30 Jahre ernsthaft bedroht. Für die iranische Regierung steht damit sehr viel auf dem Spiel, vielleicht inzwischen sogar die eigene Zukunft.