Berlin Beatet Bestes. Folge 341.

Nur echt mit Tesafilm

Als ich vor elf Jahren zum ersten Mal in Istanbul nach Schallplatten suchte, gab es nur wenige Plattenläden. Mittlerweile bieten rund ein Dutzend Geschäfte sowohl neues als auch gebrauchtes Vinyl an. Die Preise sind allerdings im Durchschnitt höher als in Berlin. Bei Kontraplak im Stadtteil Beyoğlu liegen die billigsten Platten – Singles ohne Cover – bei zehn Lira. Bei einem Umtauschkurs von drei zu eins sind das mehr als drei Euro. Eine Schachtel Zigaretten kostet acht Lira.
Fürs Plattenshoppen ist Freund Haluk vom Record Store Journal der perfekte Guide und führt mich am ersten Tag gleich nach Kadiköy, auf die asiatische Seite Istanbuls. Türkischer Psychedelic Rock der späten sechziger und frühen siebziger Jahre gehört in den Läden zum Teuersten und Begehrtesten. LPs von Barış Manço, Cem Karaca, Erkin Koray oder Moğollar werden für Hunderte von Euro angeboten, wie Diamanten in einem Juweliergeschäft. Ich hingegen finde lieber einen ollen Stein und poliere den auf. Zum Beispiel türkischen Twist: »Hasso Twist« von Celal Şahin, »Maç Twist« (ein Fußball-Twist über Fenerbahçe Istanbul) von Şanar Yurdatapan und »Abidik Gubidik Twist« von Öztürk Serengil.
Am Sonntag geht es auf den Flohmarkt. Auch dort sind die Platten teurer als in Berlin. Für Touristen und Wessis gelten zudem andere Preise. Sobald ich mich einem Stand nähere, sehe ich die Dollarzeichen in den Augen der Händler. Also greife ich zu einem Trick. Mehrere Male finde ich eine Single und verstecke sie wieder. Dann beschreibe ich die Platte und das Versteck unserer türkischen Freundin und sie kauft sie für mich. Immer kommt sie strahlend zurück. Nur fünf Lira!
Zu Hause sichten wir unsere Anschaffungen. Unsere Freunde haben eine türkische Pressung von »Abbey Road« gefunden. Das berühmte Zebrastreifenbild ist in der türkischen Version schwarz-weiß. Ich untersuche die Platte und stelle fest, dass keine Innenlaschen vorhanden sind. Das Klappcover wird nur mit Tesafilm zusammengehalten. Ich vermute, dass es im Original in einer dünnen Plastikhülle verkauft wurde. Nachdem ich erklärt habe, wie sich Tesafilm mit Feuerzeugbenzin restlos entfernen lässt, findet Haluk die Platte bei Discogs. Die türkische Pressung steht auf Platz 23 der Liste besonders seltener Beatles-Platten. Wegen des Tesafilms! Das ist nämlich original. Zum Glück haben wir es nicht entfernt.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.