Ein deutscher Gewerkschafter wurde aus Peru ausgewiesen

Störung des sozialen Friedens

Mit internationaler gewerkschaftlicher Unterstützung konnten sich Beschäftigte in Perus Handelssektor stärker organisieren. Ein deutscher Gewerkschafter, der die peruanischen Beschäftigten des Handelsriesen Cencosud unterstützte, wurde jedoch gerade ausgewiesen. Das Unter­nehmen hat gute Beziehungen zur Regierung Perus, der chilenische Mutterkonzern ist während der Militärdiktatur groß geworden.

Etwa 500 000 Beschäftigte in Peru arbeiten im Handelssektor, viele von ihnen für eine der großen lateinamerikanischen Supermarktketten. Während deren Gewinne seit Jahren kontinuierlich steigen, kommt davon bei den Beschäftigten wenig an. Einer der Gründe dafür ist die geringe gewerkschaftliche Organisierung im Handelsbereich. Jahrelang gelang es den eng mit den staatlichen Organen vernetzten Unternehmen, ihre Betriebe mit deren Hilfe und durch Drohungen und Einschüchterungen gewerkschaftsfrei zu halten.
Dies änderte sich erst vor etwa zwei Jahren. Seitdem schließen sich immer mehr Beschäftigte den bei verschiedenen Handelskonzernen entstehenden Betriebsgewerkschaften an, die demnächst die »Föderation der peruanischen Handelsgewerkschaften« gründen wollen. Zu verdanken ist dies unter anderem der Unterstützung des internationalen Gewerkschaftsdachverbandes UNI Global und seines für Peru verantwortlichen Sekretärs Orhan Akman. Der deutsche Gewerkschafter ist seit 2014 in Lateinamerika, um dort die UNI Américas und ihre Gewerkschaften beim Aufbau von Strukturen zu unterstützen. Akman, der zuvor zehn Jahre Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in München und Stadtrat der Linkspartei war, half unter anderem dabei, zwei Streiks beim chilenischen Handelsriesen Cencosud zu organisieren, der in Peru mehrere Supermarktketten und Kaufhäuser betreibt. Die peruanischen Beschäftigten kämpfen seit langem für einen Tarifvertrag. Das Innenministerium und die Ausländerbehörde Perus sprangen dem Konzern schließlich zur Seite und verwiesen den unliebsamen Gewerkschafter am 31. März des Landes. Seine Teilnahme an den Protesten würde »die öffentliche Ordnung, die Ruhe und den sozialen Frieden stören« und damit einen Verstoß gegen die Bedingungen seines Visums darstellen.
Für viele Gewerkschafter steht fest, dass der einflussreiche Handelskonzern seine guten Kontakte zur peruanischen Regierung nutzte, um Akman loszuwerden. »Diese Situation beweist, wie die Unternehmen Druck auf die Regierungen ausüben und die freie Ausübung des Rechts auf Demonstrationsfreiheit, internationale Solidarität und gewerkschaftliche Organisierung einschränken sowie diejenigen verfolgen, die die gewerkschaftlichen und Menschenrechte der Arbeiterinnen und Arbeiter verteidigen«, so die UNI Global in einer Pressemitteilung. Des Weiteren wies UNI Américas darauf hin, dass Akman schon zuvor verfolgt und fotografiert sowie vom Sicherheitschef von Cencosud direkt bedroht worden sei.
Der chilenische Konzern Cencosud gehört mehrheitlich dem Unternehmensgründer Horst Paulmann und seiner Familie. Der 1935 in Deutschland geborene Paulmann wanderte 1948 zuerst nach Argentinien und dann 1950 nach Chile aus. Gemeinsam mit seiner Mutter und sieben seiner Geschwister folgte er seinem Vater Werner Paulmann, der sich 1946 über die »Rattenlinie« nach Argentinien abgesetzt hatte. Der Jurist Werner Paulmann war nicht nur NSDAP-Mitglied und Obersturmbannführer der SS, sondern auch Oberster Richter und Leiter des Zentralbüros der Gerichte der SS und der Polizei in Kassel. Der Aufstieg seines Handelsimperiums und der seines Sohnes Horst Paulmann zur zweitreichsten Person Chiles gelang während der Diktatur Augusto Pinochets. 1960 begann Paulmann mit einem Selbstbedienungsmarkt, 1976 entstand sein erster großer Supermarkt in Santiago de Chile. Paulmann gehört bis heute zu den Bewunderern Pinochets und dessen 1973 nach dem Putsch gegen Salvador Allende errichteter Militärdiktatur. Als der Diktator 2006 starb, gehörte er zu den ersten, die kondolierten. Auch von der deutschen Siedlung »Colonia Dignidad«, die dem Pinochet-Regime als Folterstätte diente, profitierte Paulmann. In seinen Supermärkten wurden die in Fron- und Zwangsarbeit hergestellten Produkte der Siedlung verkauft; Paulmann wurden gute Kontakte zum Sektengründer Paul Schäfer nachgesagt.
Trotz der Ausweisung von Orhan Akman Ende März, der seither in der Zentrale von UNI Américas in Montevideo auf seine Erlaubnis zur Wiedereinreise nach Peru wartet, konnten die Beschäftigten bei Cencosud und ihre Gewerkschaft Sutragrucep einen ersten Erfolg erringen. Am 15. April einigte man sich auf einen Tarifvertrag, der Lohnerhöhungen zwischen umgerechnet zwölf und 24 Euro pro Monat, eine höhere Kompensation der Fahrtkosten sowie für Gewerkschaftsmitglieder eine einmalige Bonuszahlung vorsieht. Das plötzliche Einlenken der Konzernführung dürfte auch auf die internationale Berichterstattung im Zuge des Vorgehens gegen Akman zurückzuführen sein, durch die der Tarifkonflikt über die Grenzen Perus hinaus Aufmerksamkeit erfuhr.
Beendet ist der Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen beim Handelsriesen jedoch noch lange nicht. Aufgrund des langen Konflikts gilt der Tarifvertrag rückwirkend ab dem 17. Juni 2014 und läuft bereits am 16. Juni dieses Jahres aus. Schon bald sind also neue Auseinandersetzungen zu erwarten.