In Hamburg monieren Antiimperialisten eine »zionistische Sittenpolizei«

Klassenkampf statt Israel

Der »Revolutionäre Aufbruch Waterkant« darf seine Veranstaltungen nicht in der Roten Flora in Hamburg abhalten. Deshalb sieht er die »zionistische Sittenpolizei« am Werk.

»Rote Flora sabotiert antinationale Veranstaltungen wegen Antizionismus« stand über der Erklärung auf der Facebook-Seite. Der »Revolutionäre Aufbau Waterkant« (RAW) veröffentlichte sie Ende Mai, bereits 17 Stunden nach dem Abschluss des zweiten Plenums in der Roten Flora, auf dem über die Raumvergabe für Veranstaltungen entschieden worden war. Eine »Sabotage unserer politischen Arbeit« habe auf dem Plenum stattgefunden, da »zwei Individuen, die Teile des israelsolidarischen Spektrums in der Flora repräsentieren, ein Veto gegen unsere Veranstaltungsreihe ›Klassenkampf statt Vaterland!‹ eingelegt« hätten, so der RAW. Die große Empörung geht einher mit der Behauptung, für gerechtfertigte Kritik an Israel von einem allmächtigen Plenum bestraft worden zu sein. Im Internet machte dies schnell die Runde, in Kommentarspalten wurde gegen »die Antideutschen« und die Rote Flora gehetzt.
Der RAW ist eine neue Gruppierung. Er bezieht sich in seinen patchworkartigen Statements ebenso auf den Rätekommunismus wie auf die staatlichen Symbole der Sowjetunion, auch markige Sprüche Maos hat die Gruppe auf Facebook hinterlassen. Der RAW ist sich selbst die eigene Jugendorganisation, vielleicht nimmt er aus Unerfahrenheit ungebrochen positiv Bezug auf die KPD der zwanziger Jahre.
Im Konflikt mit der Roten Flora erwähnte der RAW einige Details jedoch nicht. Es gibt an der Vorderseite des linken Zentrums zwei große Plakatwände, die von Gruppen nach Absprache für Ankündigungen genutzt werden können. Dort warb der RAW für drei Veranstaltungen. Daneben brachte die Gruppe aber auch einen Aufruf zur »Revolutionären 1. Mai-Demo« an. Zwar warb der RAW für einen eigenständigen »antinationalen Block« auf der Demonstration und grenzte sich so scheinbar von antiimperialistischen Gruppen aus dem sektiererischen Umfeld des Zentrums B5 ab, dessen Mitglieder das Demonstrationsbündnis »Revolutionäre Linke Hamburg« dominieren. Am 1. Mai selbst war von einer Abgrenzung nichts zu sehen, gemeinsam frönte man der Verbalmi­litanz.
Mit dem antiimperialistischen Milieu hatten Gruppen aus der Roten Flora mehr als nur Meinungsverschiedenheiten: Nachdem Personen aus dem B5 im Oktober 2009 die Aufführung des Films »Warum Israel« des jüdischen Regisseurs Claude Lanzmann im Kino B-Movie mit einer Blockade und Handgreiflichkeiten verhindert hatten, kritisierten Protagonisten der Roten Flora den antisemitischen Charakter dieser Aktionen. Als Leute aus dem B5 in den Monaten danach als Antideutsche geltende Linke körperlich angriffen, verurteilte das Plenum der Roten Flora diese Attacken scharf.
Der Aufruf des RAW zur »Revolutionären 1. Mai-Demo« an der Fassade der Roten Flora war denn auch eines Morgens überklebt. Auch dass die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite eine Parole benutzte, die von ihrer Schwesterorganisation, dem »Revolutionären Aufbau Bremen« (RAB), am 1. Mai gerufen wurde, dürfte die Rote Flora nicht gerade für den RAW eingenommen haben. Die Aufforderung »Von Dersim bis nach Gaza-Stadt – Macht die Scheißbesatzer platt!« ergänzte der RAW noch mit einem zünftigen »Solidarität mit Palästina!«. Der Post ist mittlerweile gelöscht, aber in seiner Erklärung zum Rauswurf aus der Roten Flora schreibt der RAW selbst: »Diese Parole steht für die Kritik an der Türkei (Dersim) und Israel (Gaza-Stadt).« Sie stehe dafür, dass die Türkei und Israel »ein Territorium (Nordkurdistan/Gaza, Westjordanland) und die dort Lebenden ihrer Herrschaft unterwerfen, aber diese Menschen aus ihrem Volk herausdefinieren und entsprechend brutal behandeln«. Obwohl diese Sätze recht holprig formuliert sind, wird eines deutlich: Es geht gegen Israel.
Dabei will der RAW den Antisemitismus bekämpfen, sich von plattem ­Antiimperialismus abgrenzen und sich antinational geben. »In unserer Arbeit in den Arbeitervierteln von Hamburg und Bremen haben wir täglich mit islamistischen und türkisch-nationalistischen Agitatoren zu tun, die die Jugend von ihren antisemitischen Ideen überzeugen wollen«, schreibt die Gruppe. Sie kritisiert zudem Hamas, Fatah und den »Islamischen Staat« und versucht so, sich vom »befreiungsnationalistischen Mainstream der ­antiimperialistischen Szene« abzugrenzen. Während der »Revolutionären 1. Mai-Demo« in Hamburg war aber offensichtlich die Geschlossenheit der Kundgebung wichtiger als die Abgrenzung von den dort dominierenden antiimperialistischen Gruppierungen. So schreibt der RAW in seiner Erklärung: »Denn nicht den Bullen zuzuarbeiten, ist uns wichtiger als der Eindruck, den wir bei der zionistischen Sittenpolizei erwecken.« Hinter der Absage einer Raumüberlassung durch das Plenum der Roten Flora die Machenschaften einer »zionistischen Sittenpolizei« zu wittern, zeugt aber davon, dass der RAW sich statt an der Bekämpfung des Antisemitismus an dessen Verbreitung beteiligt.