Die deutsche Wirtschaft freut sich auf das Geschäft mit Cannabis

Im Eventzelt für den Standort kiffen

Bei der größten deutschen Cannabismesse in Berlin zeigen mittelständische Firmen, dass die Wirtschaft die Legalisierung der Droge kaum erwarten kann.

Merlins Zelt ist beliebt. Hart arbeitende Frauen mittleren Alters in Hosenanzügen, akkurat gekämmte Burschen mit Sonnenbrillen und Reggaefans, die nachdenklich ihre Wursthaare massieren – sie sind gekommen und staunen, wie Merlin das so macht mit dem Glas. Eine glühende Masse hält Merlins Mitarbeiter in die Flamme des Brenners. Wie es leuchtet, wie er sie behende zu einem Trichter formt. Das mögen sie. Denn Merlin, so der Name der Manufaktur, stellt Bongs her. »Ein Glasapparatebauer der dritten Generation«, steht auf dem Flyer. Hundertprozentige Handarbeit aus der Eiffel, seit 1988. Kifferutensilien mit Tradition, die präsentiert werden wie altgermanische Schmiedekunst auf einem Mittelaltermarkt.
Bei der »Mary Jane« im Berliner Postbahnhof, der größten Cannabismesse Deutschlands, ist Merlin einer von mehr als 100 Ausstellern, die sich mit ihren Angeboten nicht nur der Pflanze tief verbunden zeigen, sondern auch dem Geld, das man aus ihr schöpfen kann. Das Recht auf Rausch vereint mit dem Rausch des Konsums. Anbieter vor allem aus Deutschland, aber auch aus ganz Europa und den USA zeigen auf zwei Etagen Düngemittel und Zimmergewächshäuser für den Eigenanbau, diverses Rauchzubehör wie Vaporisierer sowie medizinische und kosmetische Hanfprodukte. Kleine, inhabergeführte Handwerksbetriebe stehen neben stylischen Startups und etablierten Branchengrößen. Der Stand des niederländischen Bong-Herstellers »Grace Glass« demonstriert nachdrücklich, dass die Red-Bullisierung der Kifferszene unumkehrbar ­geworden ist; dort dürfen Messebesucher mit Schaumstoffkanonen auf Papppolizisten um die Wette schießen, während der Moderator sie per Mikrofon anfeuert und dralle Hostessen ihnen mit Gutscheinen zum Erfolg gratulieren.
Daraus, dass sich die Wirtschaft bei der »Mary Jane« schon jetzt für die Legalisierung der Droge warm laufen kann, macht der Internetauftritt der Messe keinen Hehl. »Deutschland ist einer der stärksten Wirtschaftsstandorte Europas – der Hanfmarkt hingegen ist kaum erschlossen und bietet hohes Wachstumspotential«, heißt es da. »Als Marktakteur ist es unumgänglich, Deutschland als neuen Zielmarkt anzuvisieren und Potentiale beim Konsumenten bereits jetzt zu nutzen.« Nhung Ngyuen vom Organisationsteam der Messe sagt: »Wir wollen die Vielfalt der Hanfnutzung aufzeigen und mit dem Klischee aufräumen, dass es sich bei Cannabis nur ums Rauchen dreht.« Davon zeugen auch die Vorträge, die während der dreitägigen Veranstaltung gehalten werden. Neben dem Drogen­enzyklopädisten Christian Rätsch, der über »Hanf in der Ethno-Medizin« ­referiert, sprechen unter anderem Andreas Müller, laut Veranstaltungsankündigung »Deutschlands härtester Jugendrichter«, und der Verschwörungstheoretiker Mathias Bröckers über den gescheiterten Krieg gegen die Droge.
Davon, dass in Deutschland Großkonzerne in das Cannabisgeschäft einsteigen, ist man nach Ansicht von Georg Wurth, Sprecher des Deutschen Hanfverbands, allerdings noch weit entfernt. »Bayer wird bei uns in nächster Zeit wohl nicht anklopfen«, sagt er. Sein Verband vertritt 2 100 Mitglieder, viele davon kleine und mittelständische Firmen. Doch das wirtschaftliche und gesellschaftliche Interesse an dem Thema sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Der Trend dürfte durch die offenkundigen Legitimationsprobleme der Prohibitionspolitik weiter anhalten. Wurth mutmaßt, dass in der übernächsten Legislaturperiode das Marihuanaverbot schrittweise aufgehoben werden wird. »Dann könnte der Schwarzmarkt zu einem weißen Markt werden«, sagt der Unternehmer. Allein für den nichtmedizinischen Konsumbereich schätzt er, dass die Anbieter Umsätze im einstelligen Milliardenbereich erwarten können.
Noch besteht der Großteil der in diesem Jahr fast 10 000 Besucher der Messe aus Szenepublikum. Doch im Eingangsbereich wird an den Imbiss­buden schon jetzt in Ansätzen den Gepflogenheiten einer durchschnittlichen deutschen Mittelstandsmesse gehuldigt: Neben Falafel und veganen Burgern wird in einem Zelt auch Spanferkel mit Sauerkraut angeboten. Damit auch »für das leibliche Wohl gesorgt ist«, wie es auf der Internetseite von »Mary Jane« heißt.