Zivilgesellschaft gegen Rechtspopulismus in Österreich. Haben die Guten gewonnen?

It’s about optimism, stupid

In Österreich haben diejenigen gewonnen, die keine Angst vor der Zukunft haben. Das macht Hoffnung für Europa.

In den Nachmittagsstunden des 23. Mai fühlte sich halb Österreich wie der Patient, dem der Arzt gerade sagt, dass er doch keinen Tumor habe. Der kontemplative Professor ist’s geworden, nicht der Rechte mit dem Raubtiergrinsen. Alexander Van der Bellens Vorsprung betrug am Ende nur 31 000 Stimmen.
Bemerkenswert an dieser Wahl war, dass sich ein Kandidat, hinter dem neben einer Kleinpartei nur die Zivilgesellschaft stand, gegen einen durchsetzen konnte, der von der nahezu perfekt funktionierenden Kampagnen-Großpartei FPÖ und den Boulevardmedien unterstützt wurde. Nicht weniger als 3,4 Millionen Euro butterten die Rechten in den Wahlkampf. Doch als Van der Bellen nach dem ersten Wahlgang aus der Außenseiterposition mit mehr als zehn Prozentpunkten Rückstand antrat, entwickelte der Wahlkampf eine unerwartete Dynamik. Während das offizielle Werbeteam Van der Bellens auf Harmonie setzte, auf hübsche Bergtäler, grüne Wiesen und die Generalharmlosigkeit ihres Kandidaten, wurden Tausende Menschen auf eigene Faust aktiv. Von der Grafikdesignerin, die griffige Memes produzierte und postete, über Kabarettisten und Künstlerinnen bis zu Prominenten aus Showgeschäft und Wirtschaft entstand eine große neue Bewegung, die bei allen Widersprüchen einte, einen Rechtsnationalen und dessen Pläne für eine autoritäre Republik abzulehnen. Linksalternative fanden sich neben der Katholischen Frauenbewegung wieder, altgediente Gewerkschafter neben der feministischen Satirikerinnentruppe »Burschenschaft Hysteria«, renommierte Schriftsteller neben jungen Wilden wie Stefanie Sargnagel, und Industrielle neben Kommunisten.
Die modernen urbanen Milieus haben sich gegen die ländlichen und fordistischen durchgesetzt, die sich im ökonomischen Niedergang befinden. Die in der Großstadt wohnenden App-Programmiererinnen und Startup-Macher haben die Industriearbeiter und Angestellten übertrumpft, die wegen ständigen Reallohnverlusts um ihre Zweifamilienhäuser auf dem Land bangen. Wenngleich knapp haben somit die Optimisten gewonnen, diejenigen, die sich den wandelnden ökonomischen Verhältnissen anpassen können oder diese wenigstens nicht fürchten. Wenngleich knapp, haben die Pessimisten verloren, also die, welche die schrittweise Entwertung ihrer Verhandlungsmasse am Arbeitsmarkt erleben und somit anfällig sind für Wut, Hass und die Versprechungen der Rechten, man werde das Land auf eine Zeitreise in die Vergangenheit schicken.
Die Optimistinnen fürchten die Internationalisierung nicht, sondern profitieren großteils sogar von ihr, weswegen sie der EU und Freihandelsabkommen positiver gegenüberstehen als die Arbeiter, für die jede fallende Handelsschranke nicht neue Chancen, sondern neue Konkurrenz bedeutet. Die Systemverlierer sind neben einem harten, aber kleinen ideologisierten Kern das Reservoir, aus dem rechtsextreme Bewegungen schöpfen. Die wählen nicht rechtsextrem, weil sie überzeugte Faschisten sind, sondern weil sie die Welt nicht mehr verstehen und daher auf die simplen Scheinlösungen der Rechten anspringen. Wer beispielsweise als heterosexueller weißer Arbeiter für immer weniger Geld immer härter schuften muss und gleichzeitig erlebt, dass sich der Gestaltungsspielraum der Traditionsparteien auf Gesellschafts- und Symbolpolitik verengt, hat nicht ganz zu Unrecht den Eindruck, »die da oben« kümmerten sich mehr um geschlechtsneutrale Klos als um ihn. Die Mischung aus autoritärem Grundcharakter, realer Deprivation und rechter Dauerpropaganda ist gefährlich. Menschen ohne Hoffnung schlagen um sich und fühlen sich oft angesprochen, wenn ihnen jemand verspricht, er werde zwar ihr Leben nicht verbessern, aber das der anderen verschlechtern, ob im Namen von Blut und Boden oder Allah.
Die Bundespräsidentschaftswahl in Österreich hat gezeigt, dass die hoffnungsvollen Optimisten immer noch knapp in der Mehrheit sind. Wer den weiteren Durchmarsch rechtsautoritärer oder gar faschistischer Bewegungen in Europa aufhalten will, sollte sich dringend etwas einfallen lassen, wie man denen, die Angst vor der Zukunft haben, wieder Lust und Hoffnung auf diese macht. Reich genug, um beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, wären unsere Gesellschaften ja.