Subventionen für Elektroautos

Die volle Ladung

In Zukunft sollen mehr Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Die Bundesregierung subventioniert die Anschaffung solcher Gefährte, die Autoindustrie profitiert.

Die Herren konnten die Backen gar nicht genug aufblasen, als sie die Gründung des gemeinsamen Unternehmens für die Entwicklung und Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos bekanntgaben. »Wir wollen eine Führungsrolle bei den grünen Technologien«, sagte der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche. Es gehe um »einen Meilenstein auf dem Weg zur Serienfertigung von Elektroautos«, schwärmte Werner Müller, der Vorstandsvorsitzende von Evonik, ehemaliger Bundeswirtschaftsminister der rot-grünen Bundesregierung. »Mit uns wird es den Elektroantrieb für alle geben: alltagstauglich, sicher, bezahlbar.«
Acht Jahre ist die Präsentation der Pläne in einem Düsseldorfer Autohaus her. Die gemeinsame Fabrik von Daimler und Evonik im sächsischen Kamenz hat Ende vorigen Jahres die Produktion der Batteriezellen eingestellt. Daimler und die anderen erfolgsverwöhnten deutsche Autokonzerne haben in Sachen Elektroauto komplett versagt. Auch Manager sind Gefangene einer Ideologie, in der schnelle und schnittige Autos der Inbegriff von Freiheit und Abenteuer sind. Ein aufheulender Motor signalisiert Dominanzansprüche. Und das ist mit einem Elektroauto schlecht möglich, denn da heult nichts auf. Ökoautos sind in der Welt der harten Jungs etwas für Weicheier. Entsprechend gering ist ihre Verbreitung. Im vergangenen Jahr waren 25 000 Elektroautos in Deutschland angemeldet, außerdem 130 000 Hybridautos, die neben dem Elektroantrieb auch einen Verbrennungsmotor haben – von insgesamt mehr als 45 Millionen PKW.
Das will die Bundesregierung ändern. Mit Hilfe von Kaufanreizen soll die Zahl der Elektroautos rapide steigen. Dazu hat die Große Koalition gemeinsam mit den deutschen Autoherstellern, deren Image zuletzt unter diversen Skandalen um Abgasmanipulationen gelitten hat, eine großzügige Förderung beschlossen. Wer einen Wagen mit elektrischem Antrieb kauft, erhält einen Zuschuss von 4 000 Euro, für Hybridautos gibt es 3 000 Euro. Insgesamt stellen Bundesregierung und Branche dafür jeweils 600 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderung läuft bis zum 30. Juni 2019, sofern die Fördersumme nicht vorher aufgebraucht ist. Außerdem werden Elektroautos für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit.
Beantragt werden muss die Prämie online beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das bereits für die Abwrackprämie zuständig war, mit der die Bundesregierung der Autobranche über die letzte Wirtschaftskrise hinweggeholfen hat. Das Geld vom Staat fließt nur, wenn der Antragsteller eine Bescheinigung vorlegt, dass der Händler den Beitrag der Branche vom Kaufpreis abgezogen hat. Mehr als 60 000 Euro netto darf das Elektroauto nicht kosten.
»Einen großen Schritt nach vorn«, nennt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Prämie. Der SPD-Vorsitzende hatte seit langem für die Prämie gekämpft – auf Wunsch der Automanager. Das Geld für die Prämie nimmt die Bundesregierung aus dem Energie- und Klimafonds, in den Einnahmen aus dem Emissionshandel fließen. Die Mittel des Fonds sind eigentlich für die Unterstützung der Energiewende vorgesehen. Doch die ist ohnehin ins Stocken geraten.
Für die Klimabilanz ist es gut, wenn Autos mit Verbrennungsmotor durch Fahrzeuge mit Elektroantrieb ersetzt werden. Denn die stoßen kein CO2 aus. Bislang setzten die deutschen Autokonzerne auf verbesserte Dieselmotoren, um die CO2-Werte zu senken. Doch nach den Abgasskandalen von VW und anderen funktioniert das nicht mehr. Wirklich ökologisch sind aber auch Elektroautos nur, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt – was zumindest zurzeit sehr unwahrscheinlich ist. Die Bundesregierung will zusätzlich zu den Prämien 300 Millionen Euro in den Ausbau des Ladenetzes stecken. Die meisten Ladesäulen werden bislang von RWE betrieben, dem großen Förderer des Klimakillers Braunkohle. Der Konzern unterhält europaweit mehr als 4 900 Ladepunkte. In Kooperation mit mehr als 100 Stadtwerken hat RWE eines der größten Ladenetze in Deutschland aufgebaut. »Wir freuen uns über den politischen Rückenwind für die emissionsfreie Mobilität in Deutschland«, sagte Norbert Verweyen, Geschäftsleitung Effizienz bei RWE – jenem Energiekonzern, dessen Manager die Energiewende verschlafen haben und dem es deshalb ausgesprochen schlecht geht. RWE ist beim Aufbau von Ladestationen Partner etwa von Daimler, BASF und Tank & Rast.
Auch die Manager der Autoindustrie, Funktionäre der zuständigen Branchengewerkschaft IG Metall und Betriebsräte freuen sich. »Dieser Schritt war dringend notwendig. Ich erwarte, dass jetzt schnell die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung geschaffen werden«, sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Gewerkschaft und Betriebsräte glauben, dass mit der Prämie Arbeitsplätze gesichert werden. »Die Automobilindustrie in Deutschland steht vor einem tiefgreifenden technologischen Wandel. Die Elektromobilität wird die Zukunft unserer Arbeitsplätze bestimmen«, sagte etwa der BMW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Manfred Schoch.
Ansonsten hält sich die Begeisterung für die Kaufprämie sehr in Grenzen. »Es handelt sich um ein gigantisches Geschenk an eine Branche, die über viele Jahre hinweg prächtig verdiente und glaubte, sich alles erlauben zu können – inklusive Tricksen und Betrügen«, kommentierte die Frankfurter Rundschau. »Die 600 Millionen Steuergelder wären besser in der Erforschung und Entwicklung neuer Umwelttechnologien angelegt«, sagte der Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), Clemens Fuest. Der »Wirtschaftsweise« Christoph Schmidt sieht das ähnlich: »Eigentlich ist die Automobilindustrie selbst in der Pflicht, den Kunden bessere Angebote zu machen.« Der Verkehrsexperte der Bundes­tagsfraktion der Linkspartei, Thomas Lutze, bezweifelt einen »positiven Verkehrs- oder klimapolitischen Effekt«. Er würde lieber den öffentlichen Personenverkehr fördern. Der stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, findet aus Klimaschutzgründen Kaufanreize für Elektroautos zwar nicht falsch, ist aber für eine andere Finanzierung. »Richtig wäre es, wenn die Fahrer von übermotorisierten Spritschluckern die Prämie finanzieren«, sagte Krischer.
Die Kritik von Umweltverbänden ist vernichtend. Die Prämie sei »auf jeden Fall nur ein industriepolitisches Instrument«, erklärte Dietmar Oeliger vom Naturschutzbund NABU. »Aus Umweltsicht ist das kontraproduktiv.« Das sieht auch der BUND so. »Wer Kaufanreize ohne Berücksichtigung der Effizienz der Fahrzeuge, deren Einsatzzwecks oder des verwendeten Stroms einführt, wird keinen die Umwelt oder das Klima schützenden Effekt erzielen«, so der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger: »Mehr Investitionen in öffentliche Verkehrssysteme oder zur Elektrifizierung von Taxi- und Car-Sharing-Flotten hätten einen vielfachen Umweltnutzen.«
Tatsächlich ist der Zeitpunkt des Förderprogramms merkwürdig. Die Prämie ist eher ein Bonus für den gebeutelten SPD-Wirtschaftsminister Gabriel als eine Maßnahme für das Klima. Denn technisch sind die Autos noch nicht ausgereift, ihre Reichweiten sind mit wenigen hundert Kilometern zu gering. Das wird sich wohl in wenigen Jahren ändern. Aber solange die Lade­infrastruktur nicht steht, eignen sich Elektroautos nicht für Viel- und Langstreckenfahrer. Deshalb werden Elektroautos vor allem als Zweit- und Drittwagen angeschafft – für den Großeinkauf am Wochenende und kurze Fahrten. Oder es werden Hybridautos gekauft, die wahrscheinlich eher gelegentlich mit Strom fahren. So ist fraglich, ob Elektroautos tatsächlich andere Wagen ersetzen werden – oder ob sie zusätzlich auf die Straßen kommen. Elektroautos sind teuer, ihre Anschaffung kommt vor allem für Besserverdiener in Frage, die sich mehrere Autos leisten können. Der bisherige weltweite Elektroauto-Bestseller, der Nissan Leaf mit 220 000 verkauften E-Wagen, kostet regulär ab 23 400 Euro, plus Batteriemiete von 79 Euro pro Monat. Einen E-Golf von VW gibt es für rund 35 000 Euro.
Fahrzeuge des US-amerikanischen Herstellers Tesla, mit weltweit Hunderttausenden Vorbestellungen der auf jeden Fall angesagteste Elektroautobauer der Welt, sind für die Prämie zu teuer. Anders als die deutschen Produzenten ist Tesla technologisch auf der Höhe der Zeit, vor allem bezüglich der Batterie. Sie bestimmt, wie lange ein Elektroauto fahren kann. Sie ist der Schlüssel zur Weiterentwicklung der Technologie – und für den Gewinn. Fast 40 Prozent der Wertschöpfung hängen von der Batterie ab.
Seit die von Zetsche und Müller so großartig präsentierte Batteriezellenherstellung von Daimler in Kamenz zum Jahresende eingestellt wurde, baut kein deutscher Autobauer seine Batteriezellen mehr selbst. Sie werden vor allem aus Japan, China und Südkorea bezogen. Betriebsräte fordern eine konzertierte Aktion von VW, BMW und Daimler, gemeinsam in die Zellfertigung zu investieren. Das wollen die Manager nicht. Der amerikanische Hersteller Tesla dagegen baut die eigene Batterieherstellung aus. Gemeinsam mit Panasonic baut Tesla eine Fa­brik, die der größte Batteriezellhersteller der Welt werden soll.
Meldungen zufolge erwägt jetzt auch VW, ein eigenes Werk für die Batteriezellenherstellung zu bauen. Wenn die ersten Prototypen auf den Markt kommen, dürften die Fördergelder für Elektroautos längst verteilt sein. Aber dann wird es sicher wieder einen Grund für die Bundesregierung geben, neue Geschenke an die Autobranche zu verteilen.
Die Bundesregierung muss die Prämie für den Kauf von Elektroautos von der EU-Kommission genehmigen lassen. Die prüft, ob es sich um eine zulässige Beihilfe handelt. Die EU-Wettbewerbsbehörde hat bisher nicht zugestimmt, Anträge werden daher von den deutschen Behörden noch nicht bearbeitet.