Mehr Bio mit Hartz-IV? Die Grünen haben einen Plan

Biohartzen mit den Grünen

Anton Hofreiter will den Hartz-IV-Satz erhöhen, damit jeder sich freilaufenden Salat und glückliche Eier leisten kann. Ganz zu Ende gedacht ist der Vorschlag jedoch nicht.

Das traditionelle Sommerloch ist zwar im Lauf der vergangenen Jahre im gleichen Maße geschrumpft, wie das Chaos in der Welt zunimmt; sobald sich die Freibäder füllen und sich das Regierungsviertel auf die Sommerpause einstimmt, verzichten Politiker dennoch nur ungern auf das altehrwürdige Ritual, sich mit folgenlosen Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu wenden.
So auch der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Anton Hofreiter, der vergangene Woche forderte, den Hartz-IV-Satz zu erhöhen, damit sich auch Erwerbslose ökologisch erzeugte Lebensmittel leisten können. Zugegeben, ganz ohne Anlass kam der Vorstoß nicht, schließlich werden jedes Jahr Ende Juni die Regelsätze für das staatliche Almosen neu festgelegt. Allerdings hat Hofreiters Partei derzeit mit einer Regierungsverantwortung im Bund ebenso viel zu tun wie die Forderung ihres Fraktionsvorsitzenden mit der Lebensrealität: Die von Hofreiter ins Spiel gebrachte Erhöhung um 16 Euro entspricht ungefähr dem Gegenwert von acht unansehnlichen Strünken Brokkoli, der im Biomarkt den stolzen ­Kilopreis von sechs Euro aufruft. Noch etwas genauer nachgerechnet hat dankenswerterweise Anna Steiner für die FAZ und kommt beim Preisvergleich zwischen Bioprodukten und konventionellen Lebensmitteln zu dem Schluss, dass es eher schon 106 Euro mehr sein müssten. Und das auch nur, wenn sich der geneigte ALG2-Empfänger ausschließlich an die hauseigenen Biomarken der Discounter hielte, statt zu den noch teureren Lebensmitteln aus dem Ökoladen zu greifen.
Und ob diese – unrealistischen – 106 zusätzlichen Euro überhaupt für freilaufenden Salat und glückliche Eier ausgegeben würden, ist fraglich. Die so Beglückten würden sich vermutlich eher freuen, dass endlich mal etwas Geld für neue Klamotten oder Möbel übrig ist, für die der Gesetzgeber ihnen derzeit jeweils rund 30 Euro monatlich zugesteht. Falls sie nicht zuerst Stromschulden abbezahlen müssen – auch für »Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung« sieht der Regelsatz gerade einmal 33 Euro pro Monat vor, wegen Zahlungsschwierigkeiten abgedrehter Strom ist die häufige Folge. Eine Forderung der Grünen nach mehr Hartz IV für Ökostrom wäre da konsequent, lässt bisher allerdings auf sich warten; aber Energiesparen ist ja auch eine gute Sache. Auch die 25 Euro für Mobilität scheinen für die Partei kein Problem zu sein, davon kann man sich schließlich schon nach gut einem Jahr ein Fahrrad leisten – vorausgesetzt, man verprasst das Geld nicht im öffentlichen Nahverkehr oder gar für den Unterhalt eines Autos.
Aber dass diese Hartzer eh nicht mit Geld umgehen können, weiß hierzulande ja ohnehin jeder Vorurteilsinhaber. Sollte Hofreiters 16-Euro-Vorschlag also wider Erwarten Gehör finden oder im Fall einer Regierungsbeteiligung der Grünen wieder auf den Tisch kommen, werden sich garantiert diejenigen zu Wort melden, die genau wissen, dass das Geld ja doch nur für Bier und Zigaretten draufgehen würde. Die Lösung läge auf der Hand: Mit Sachleistungen in Form einer wöchentlich gelieferten Biogemüsekiste würden die Hartz-IV-Empfänger nicht nur von ungesunden Fehlentscheidungen abgehalten, sondern kämen endlich auch in den Genuss des urbanen Hipster-Lifestyle. Zuzutrauen wäre der Partei der Supernannys eine solche Idee jedenfalls.