Der Erfolg der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung bei den Kommunalwahlen in Italien

Junge Sterne, rechter Staub

Aus der zweiten Runde der italienischen Kommunalwahlen ist vor allem die Fünf-Sterne-Bewegung als Siegerin hervorgegangen. Die auf Landesebene regierende Demokratische Partei musste vielerorts Verluste hinnehmen.

Für den Movimento 5 Stelle (M5S), die Fünf-Sterne-Bewegung, war es eine Nacht der Superlative. Schon die ersten Hochrechnungen zur zweiten Runde der Kommunalwahlen vom Sonntag ließen keinen Zweifel am Triumph seiner Kandidatinnen. Virginia Raggi wurde mit überwältigender Mehrheit zur ersten Bürgermeisterin Roms gewählt, die 37jährige ist zudem die jüngste Amtsträgerin in der Geschichte der italienischen Hauptstadt. In Turin besiegte die noch jüngere Chiara Appendino den Konkurrenten des Partito Democratico (PD) nach mehr als 20jähriger Regierung der linksliberalen Partei bzw. ihrer Vorgängerparteien. Beppe Grillo, der den M5S 2009 als Protestbewegung über seinen Blog gegründet hat, sprach von einem historischen Sieg und dem Beginn einer neuen Zeit, in der alles anders werde.
Dass Emanzipation mit der Anzahl weiblicher Gesichter in der Politik und Verjüngung mit gesellschaftlicher Veränderung gleichgesetzt werden kann, entspricht der erprobten Rhetorik des Wahlverlierers: Matteo Renzi war als jüngster Ministerpräsident Italiens angetreten, die Altherrenriege der Demokratischen Partei zu »verschrotten« und die alten Strukturen des Staatsapparats aufzubrechen. Nur zwei Jahre später werden seine Floskeln vom politischen Gegner adaptiert, am Wochenende musste sich die Regierungspartei in den Stichwahlen fast überall den jüngeren Neuzugängen des M5S geschlagen geben. Das Ausmaß und die nationale Bedeutung des Wahldebakels lassen sich auch durch die Siege der Kandidaten des PD in Mailand und Bologna nicht kleinreden.
Mit seinem egozentrischen Führungsstil hat der eben noch als »Retter der Nation« Gefeierte nicht nur die Anhängerschaft der eigenen Partei desillusioniert. Sowohl Renzis Anspruch, den PD zu einer nach rechts offenen »Partei der Nation« umzubauen, als auch die geplante Verfassungsreform und das dazugehörige neue Wahlgesetz mit dem staatstragenden Namen »Italicum« werden kritisiert. Mit der geplanten Entmachtung des Senats zu einer Regionalkammer mit rein repräsentativem Charakter soll vorgeblich das Gesetzgebungsverfahren »vereinfacht« werden, de facto werden parlamentarische Kontrollmechanismen abgeschafft. Gestärkt würde durch die Reform die jeweilige Regierung, deren Fraktion im Parlament dank eines Stimmenbonus für den Wahlsieger auf eine sichere Mehrheit zählen könnte.
Obwohl Renzi sich bemüht hatte, den lokalen Charakter der Kommunalwahlen zu betonen, war der Wahlkampf von Auseinandersetzungen über die geplante Umstrukturierung der höchsten staatlichen Institutionen geprägt. Aus den Wahlen war ein Testlauf für den für Oktober angekündigten Volksentscheid über die Verfassungsreform geworden. Einige parteiinterne Gegnerinnen und Gegner der Verfassungsänderung sowie linke Gruppen, die im ersten Wahlgang am 5. Juni kaum die Fünf-Prozent-Marke erreicht hatten, kommentierten das schlechte Abschneiden der Kandidaten des PD entsprechend mit offener Genugtuung. Doch die Niederlage bei den Kommunalwahlen stellt Renzis Prestigeprojekt nur in Frage, sie besiegelt noch längst nicht sein Scheitern. Für all jene, die sich nicht dem Motto verschreiben wollen, wonach der Feind des Feindes ein Freund sei, besteht kein Anlass zur Freude.
Der M5S hat sich infolge der Selbstauflösung der ehemals klar definierten Mitte-links- und Mitte-rechts-Lager nicht nur als dritte politische Kraft konsolidiert, er hat mit den Siegen in Rom und Turin auch seinen nationalen Führungsanspruch angemeldet. Von Grillo und seinem im Frühjahr verstorbenen Freund, dem Web-Unternehmer Gianroberto Casaleggio, als postideologische Marke eingeführt, verdankt die Bewegung ihren Erfolg immer weniger dem Zulauf enttäuschter Linker, sondern vielmehr rechtspopulistischer Propaganda. Deshalb ist es wenig überraschend, dass ein Großteil der Stimmen, die rechte Parteien im ersten Wahlgang erhielten, in den Stichwahlen an die Kandidatinnen des M5S gingen. Matteo Salvini, der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Lega Nord, hatte ausdrücklich zur Wahl von Raggi und Appendino aufgerufen.
Die neue römische Bürgermeisterin hat als junge Anwältin nachweislich für Unternehmen aus dem rechten Hauptstadtmilieu gearbeitet. Diese beruflichen Erfahrungen mögen erklären, warum Raggi im Wahlkampf auffällig einseitig die Verstrickung der Demokraten in den römischen Korruptionsskandal »Mafia Capitale« beklagte, weit weniger die mafiösen Machenschaften der postfaschistischen Stadtverwaltung unter Gianni Alemanno. Hinsichtlich der Räumung von Roma-Siedlungen und des Kampfes gegen mutmaßlich illegale centri sociali vertrat sie erkennbar rechte Positionen, im Vergleich zu Salvini jedoch in einem gemäßigten, weniger chauvinistischen Tonfall.
Um weitere, durch das neue Wahlgesetz auch auf nationaler Ebene naheliegende Kooperationen zwischen dem M5S und rechten beziehungsweise rechtsextremen Parteien zu verhindern, können weder die linke Minderheit innerhalb des PD noch die fragmentierte Linke außerhalb der Partei darauf spekulieren, dass sich der M5S dank der neuen Protagonistinnen zu einer linken Bündnisoption entwickelt. Vielmehr zeigt der knappe Sieg des demokratischen Kandidaten in Mailand, dass sich ein weiterer politischer Rechtsruck innerhalb der italienischen Gesellschaft nur durch ein Mitte-links-Bündnis verhindern lässt, das sich gegen die autokratischen Ansprüche der Führung des PD abzugrenzen weiß.
In Neapel nährt die Wiederwahl des parteiunabhängigen ehemaligen Anti-Mafia-Staatsanwalts Luigi de Magistris die Hoffnung auf die Entstehung einer linken Bewegung, in der das aufgeklärte Bürgertum und die radikale Linke dauerhaft zusammenfinden. Unter dem Label »Democrazia autonoma« hat de Magistris sein Wahlbündnis ausdrücklich in linker Opposition zu Renzis PD formiert. Ob sich die von ihm proklamierte »Rebellion des Südens« mit Blick auf das Referendum zur Verfassungsreform im Oktober auf das ganze Land ausweiten lässt, wird sich allerdings erst nach der langen Sommerpause erweisen.