Proteste gegen die Arbeitsmarktreform in Frankreich gehen weiter

Streng bewachter Rundgang

In Frankreich wollte die Regierung Demonstrationen im Rahmen des zehnten Aktionstags gegen ihre umstrittene Arbeitsmarktreform verbieten und verwies dabei auf die Gefahr von Ausschreitungen. Dies kritisierten sowohl die Gewerkschaften als auch die rechte Opposition.

Totgesagte leben länger. Dies gilt, jedenfalls in gewissen Grenzen, nach dreieinhalb Monaten ununterbrochener Auseinandersetzungen auch für die französische Sozialprotestbewegung. Am Freitag vergangener Woche wurde etwa das Treibstoffdepot im südfran­zösischen Fos-sur-Mer erneut besetzt und blockiert. Eine Woche zuvor war der Streik in den dortigen Einrichtungen der Ölindustrie vorläufig ausgesetzt worden, doch viele Mitglieder von im Dachverband CGT organisierten Gewerkschaften wollten es dabei nicht belassen.
Zwar sind die Streiks der vergangenen Wochen vielerorts ausgesetzt, auch aus finanziellen Gründen – in Frankreich gibt es, anders als in Deutschland, keine gewerkschaftlichen Streikkassen. Dies hängt auch ­damit zusammen, dass in Frankreich die Gewerkschaften keine Kontrolle über die Ausübung des Streikrechts besitzen und man ihnen eine solche auch nicht überlassen will. In der Vergangenheit war es oftmals möglich, nach einem Arbeitskampf einen »Nachstreik« zu organisieren, um über die Bezahlung der Streiktage zu verhandeln. Doch da sich die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse immens zu Ungunsten der Lohnabhängigen verändert haben, kommt dies kaum noch vor. Viele von ihnen können sich mehrwöchige Streiks nicht mehr leisten. Erstmals wurden in den vergangenen Wochen allerdings gewerkschaftliche wie außergewerkschaftliche Solidaritätskassen für Streikende eingerichtet. Auch im Internet kann gespendet werden. Doch noch steht die finanzielle Solidarität organisatorisch am Anfang.
Aber jenseits von Streiks, die vielerorts nach teilweise mehrwöchigen Konflikten zu Ende gehen, bleibt eine vielfältige Protestbewegung gegen das geplante Arbeitsgesetz bestehen. Vor allem in Paris ist die am 31. März entstandene Platzbesetzerbewegung nach wie vor aktiv. Auch zu Demons­trationen kommen dort noch immer Zehntausende. Am Donnerstag voriger Woche fand der zehnte durch die Gewerkschaften unterstützte Aktionstag statt. Zunächst wurden Demonstrationen in dessen Rahmen jedoch zum ersten Mal verboten. Begründet wurde dies mit den Ausschreitungen bei der Zentraldemonstration am 14. Juni, die teilweise von Autonomen und radikalisierten Jugendlichen initiiert worden waren. Aber auch Hafenarbeiter der CGT aus Le Havre hatten sich Prügeleien mit Einsatzkräften der Polizei geliefert. Als Reaktion darauf, aber auch – wie seine Berater in der Pariser Presse offen einräumen – als »Autoritätsbeweis« kündigte Premierminister Manuel Valls das Verbot neuerlicher Gewerkschaftsdemonstrationen an; es wäre das erste Mal seit dem Ende des Algerien-Kriegs im Jahr 1962 gewesen.
Nach viel Kritik und mehrstündigen Verhandlungen mit den Gewerkschaftsvorständen von CGT und FO erteilte Innenminister Bernard Caze­neuve dann doch noch eine Genehmigung. Aber unter strengen Auflagen: Der Protestzug durfte nur eine Route von circa 500 Metern gehen und sollte dann wieder zum Ausgangsort zurückkehren. Ferner mussten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine vierfache polizeiliche Absperrung passieren und sich durchsuchen lassen. 110 Menschen, davon rund 80 in Paris, wurden in Frankreich am 23. Juni vorübergehend festgenommen, unter ihnen auch Journalisten wegen des Mitführens von Fahrradhelmen.
Unzählige Beobachter spotteten im Internet über diesen »Demo-Rundgang im Gefängnishof«. Die Regierung darf es als Erfolg betrachten, dass sie derartige Auflagen durchsetzen konnte und dadurch womöglich einen Präzendenzfall schuf. Konservative und rechte Politiker wie Nicolas Sarkozy und auch Marine Le Pen nutzten die Gelegenheit, um sich als Superdemokraten zu stilisieren und Valls’ autoritäre Verbotspolitik zu kritisieren.
Für die Gewerkschaftsvorstände war vor allem die nach wie vor hohe Teilnehmerzahl wichtig – allein in Paris demonstrierten über 30 000 Menschen am Aktionstag – als Ausdruck dafür, dass die geplante Arbeitsmarktreform noch immer keine gesellschaftliche Mehrheit hat. Gesetz werden soll diese Reform in der entscheidenden dritten Lesung in der Nationalversammlung ab dem 13. Juli.