Die »Junge Alternative für Deutschland« und ihre Verbindungen zur Identitären Bewegung und zur NPD

Junge Wilde im Freiluftbordell

Allen Distanzierungsversuchen zum Trotz: Die Nachwuchsorganisation der AfD, die »Junge Alternative für Deutschland«, hat Verbindungen ins rechtsextreme Milieu.

Der erste Schritt, ein »patriotisches Weltbild« zu schaffen und der »Wiederauferstehung des Landes der Dichter und Denker« den Weg zu bereiten, ist dem AfD-Jugendverband »Junge Alternative für Deutschland« (JA) in Hessen geglückt. Die Wahlkampfrhetorik verfing zumindest bei manchen Studenten an der Universität Kassel, die ihren Kommilitonen Marius Dill ins Studierendenparlament wählten. Im Hessischen Rundfunk outete er sich als Anhänger des thüringischen AfD-Politikers Björn Höcke, der dem völkischen Parteiflügel zugerechnet wird. »Ich teile mit ihm die tiefe Zuneigung zu unserem Vaterland und zu unserem deutschen Volk«, sagte der 23jährige Geschichtsstudent. In dem von Jusos und Grünen dominierten Studierendenparlament der Universität dürfte Dill politisch isoliert bleiben. Doch er ist als erster Vertreter der JA überhaupt in ein akademisches Gremium gewählt worden.
Der Nachwuchsverband der AfD mit seinen knapp 1 200 Mitgliedern fühlt sich aber zu Höherem berufen als studentischer Mitbestimmung. Obwohl er erst 2013 gegründet und auf dem Bundesparteitag im November von den Delegierten anerkannt wurde, mischt er sich selbstbewusst in die parteiinternen Debatten ein. Im Streit um die antisemi­tischen Publikationen des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon meldeten sich die JA-Bundesvorsitzenden Sven Tritschler und Markus Frohnmaier Mitte Juni auf der Homepage ihrer Gruppe zu Wort. Sie luden die zerstrittene AfD-Führung zu einem »Friedensgespräch« ein. »Euer (unser) Auftritt in den letzten Wochen war – vorsichtig ausgedrückt – suboptimal«, schrieben sie. »Das wundert und ärgert unsere jungen Mitglieder ganz besonders, denn sie gehen mit großem Idealismus an die Sache heran und sie wären es auch, die bei einem Scheitern der AfD am meisten zu leiden hätten.« Der Vermittlungsversuch brachte nichts. Die baden-württembergische AfD-Landtagsfraktion hat sich Anfang Juli gespalten und der Bundesvorstand der Partei um Frauke Petry und Jörg Meuthen gleich mit ihr.
Die JA verkündet in ihrer »Programmatik« zwar, gegen »jegliche Form von Antisemitismus« einzutreten. Sie konnte sich aber nicht dazu durchringen, sich eindeutig von Gedeon zu distanzieren. Das ist nicht überraschend. Die »jungen Wilden«, die sich mit Twitter-Slogans wie »Gegen Bevormundung und Sozialismus. Bierverbot auf Bundesparteitag der AfD in Essen ­aufheben!« gerne aufmüpfig geben, haben gute Kontakte ins rechtsextreme Milieu. Dies gilt insbesondere für den baden-württembergischen Landesverband der JA. Dessen Vorsitzender Moritz Brodbeck ist nach Recherchen der Taz Mitglied der Identitären Bewegung (IB). Das trifft auch auf Stefan Räpple zu, der den Verband aufbaute, mittlerweile im Stuttgarter Landtag sitzt und sich im Antisemitismusstreit auf die Seite von Wolfgang Gedeon schlug. 2013 schrieb Räpple in einer E-Mail an Brodbeck: »Ich sehe in der Identitären ­Bewegung die Jugendorganisation der AfD.« Die niedersächsische JA wiederum unterhält Verbindungen zur NPD und zur IB. (Jungle World 2/16)
Dass die Nähe zur IB vom Verfassungsschutz beobachtet wird, dessen Aufmerksamkeit auch auf die JA lenkt, scheint ihr Vorstand mittlerweile bemerkt zu haben. Am Wochenende distanzierten sich Tritschler und Frohnmaier von der IB. Mitglieder der IB würden nicht mehr aufgenommen, sagten sie der FAZ. IB-Mitglieder, die sich bereits in der JA engagierten, würden jedoch wegen des »Grundsatzes des Rückwirkungsverbots« nicht ausgeschlossen.
Der JA-Bundesvorsitzende Frohnmaier kommt ebenfalls aus Baden-Württemberg. Der 25jährige studiert in Tübingen Jura und hebt in seinen Reden gern das gesunde Volksempfinden in den Rang des politischen Souveräns. »Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde«, rief er beispielsweise im Oktober AfD-Anhängern während einer Kundgebung in Erfurt zu. Frohnmaier, der seine politische Laufbahn in der Jungen Union begonnen hatte, sagte dem Tagesspiegel in einem Gespräch, dass seine Partei so Politik machen müsse, wie Bild schreibe: »Einfach, direkt, für die Menschen.« Die JA könne die Dinge noch zugespitzter und schärfer formulieren – dies sei ein Privileg der Jugend. Frohnmaier kam zu dem Schluss, dass die JA »eine der schlagkräftigsten Organisationen innerhalb der Partei« sei.
Der Jungpolitiker steht anderen völkischen Bewegungen und deren Milizen alles andere als fern. Im Zuge einer ausgedehnten Reisediplomatie unterhält der JA-Vorsitzende Kontakte in ganz Europa. Insbesondere Wladimir Putins Russland fühlt sich Frohnmaier verbunden. Er besuchte unter anderem 2014 die separatistischen Kämpfer im ost­ukrainischen Donezk sowie 2016 die Krim, deren Annexion durch Russland er ausdrücklich begrüßte. In Belgrad nahm er vorigen Herbst an einer Konferenz von Putin-Unterstützern teil, die unter anderem von Politikern der FPÖ und Manuel Ochsenreiter, dem Herausgeber des rechtsextremen Magazins Zuerst!, besucht wurde.
Co-Vorsitzender der JA ist der 31jährige Tritschler. In einem Interview mit Dieter Stein, dem Chefredakteur der mittlerweile zum inoffiziellen AfD-Blatt gewordenen Jungen Freiheit, ließ er sich als Vertreter des liberalen Parteiflügels vorstellen. Tritschler, der sein Redetalent in den Büttenreden seines Kölner Karnevalsvereins geschult hat, äußert sich auf Facebook zuweilen mäßigend und kritisiert etwa AfD-Mitglieder, die sich nicht von den »Hooligans gegen Salafismus« distanzieren. Der Soziologe Andreas Kemper sagte der Zeit, dass Tritschler sich weniger für Migrationspolitik interessiere, sondern vor allem gegen staatliche Sozialleistungen und für eine neoliberale Wirtschaftspolitik eintrete. Doch auch der zweite JA-Vorsitzende versteht es, gegen Einwanderer loszupoltern. Während einer AfD-Kundgebung in Erfurt machte er im Januar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die massenhafte sexuelle Gewalt gegen Frauen in Köln verantwortlich. »Offenbar hat sie den Eindruck erweckt, unser Land sei ein großes Freiluftbordell für jeden, der sich zu Hause nicht austoben darf«, so Tritschler. »Gleichzeitig zahlt ihr, die ihr morgens aufsteht, ehrlich arbeitet und euch an die Regeln haltet, immer höhere Steuern! Und wozu? Damit wir Mil­lionen ungebetener Gäste ein Lotterleben finanzieren! Damit wir ihnen noch Gebärprämien zahlen! Es sind ja noch nicht genug!«
Auf der Homepage der Organisation findet sich ein Katalog politischer ­Forderungen. Die JA befürwortet eine »drastische Vereinfachung des Steuerrechts in Anlehnung an das Modell von Professor Kirchhof«, das einen Einheitssteuersatz vorsieht. Gegen »Gendersprache« in Behörden will sie sich genauso einsetzen wie gegen das Recht auf Abtreibung. Der Schwangerschaftsabbruch soll nur noch bei »triftigen Gründen« wie Vergewaltigung oder »drohender sozialer Verwahrlosung des Kindes« straffrei bleiben. Auch die ­internationale Politik ist ein Anliegen der JA. Die EU und ihre »völkerrechtswidrigen Strukturen« sollen nach den Vorstellungen der Jugendorganisation »demokratisch aufgelöst« und in eine reine Wirtschaftsgemeinschaft trans­formiert werden, um so ein »Europa der Nationen« zu schaffen. Dies kann freilich nur mit einem Schritt gelingen: mit der »sofortigen Aussetzung des Schengen-Abkommens« beziehungsweise dem »Austritt aus dem Schengen-Abkommen«, also der Wiedereinführung von Grenzkon­trollen. So viel Nation muss sein.