Warme Basswellen

Wie hat man sich Musik vorzustellen, die von New Orleans und seiner Umgebung inspiriert sein soll? Unwillkürlich denkt man an die üblichen Klischees vom klimpernden Jazzklavier und Marching Bands am Mardi Gras.
Melissa Guion, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen MJ Guider, vertont ein anderes New Orleans. Auf ihrem jüngsten Album »Precious Systems« schichtet sie Klänge unterschiedlichster Herkunft – zum Beispiel Vogelgezwitscher oder Motorengeräusche – mithilfe technischer Mittel übereinander, die größtenteils etwas aus der Zeit gefallen sind. Die Basis bilden ein alter Rickenbacker-Bass, eine Roland R-8-Drum-Machine und ein RE-501-Tape-Echo. Die technischen Details sind wichtig, denn der verschwommene Klang ihres Vintage-Equipments zeichnete bereits MJ Guiders 2014 auf Kassette erschienenes Debüt »Green Plastic« aus.
Damals war MJ Guider noch das Soloprojekt Guions, das inzwischen zum Trio angewachsen ist. Die Stimmung von »Green Plastic« war geprägt vom Kontrast zwischen Intro- und Extrovertiertheit. Eine Art Industrial-Ambient, mal surreal-schwebend, dann wieder tief und vibrierend.
»Precious Systems« ist weniger in sich gekehrt, die neun Tracks öffnen sich musikalisch in verschiedene Richtungen. Die Grundhaltung bleibt verhalten optimistisch, einer der Songs orientiert sich sogar Richtung Dancefloor. Setzt Melissa Guion ihre Stimme ein, was so selten geschieht, dass »Precious Systems« beinahe als Instrumentalalbum durchgehen könnte, verstärkt sich die unwirkliche Anmutung der von warmen Basswellen durchzogenen Atmosphäre. Ins Gespenstische kippt sie dennoch nicht, womit auch das Klischee der Spukhäuser von New Orleans elegant umgangen wird.
MJ Guider: Precious Systems (Kranky/Cargo)