Was kümmert mich der Dax

Real, irreal, scheißegal

Mit wachsendem Unglauben betrachtet man die Darbietungen der Konservativen in den USA und Großbritannien. Man möchte hoffen, dass eine von Verschwörungstheoretikern übersehene Gruppe dahintersteckt. Wie schön wäre es, wenn jemand von Monty Python auf die Bühne träte und sagte: »Hey, war nur Spaß, diese Leute gehören zu unserer Truppe. Habt ihr im Ernst geglaubt, dass die Partei Abraham Lincolns diesen Hanswurst ins Rennen schickt? Oder dass die Tories, die auf mehr als drei Jahrhunderte politischer Tradition zurückblicken, aus Jux und Tollerei Großbritannien ruinieren?«
Aber diese Hoffnung ist leider vergebens, und so muss man fragen: Was ist nur los mit diesen Leuten? Wenn früher ein Politiker die Behinderung eines Reporters nachgeäfft hätte, wie Donald Trump es tat, wäre er unter Konservativen erledigt gewesen. Und wenn er, wie Boris Johnson, starrköpfig eine Kampagne mit einer offensichtlichen Lüge geführt hätte, wäre er bei der nächsten Gelegenheit verdrängt worden – nicht unbedingt, weil er gelogen hat, aber wenigstens, weil er dilettantisch gelogen hat. Erinnern wir uns: Einst stand Konservatismus für Seriosität, Anstand, soliden Umgang mit Geld, sogar intellektuellen Skeptizismus. Konservative haben auch früher schon gelogen, aber nur, wenn sie sicher waren, dass man dies nicht würde beweisen können. Vor allem aber waren sie sich ihrer Rolle als Hüter der Unternehmerinteressen bewusst. Was derzeit auffällt, ist vor allem der eklatante Mangel an Realitätsbezug. Männer wie Trump und Johnson glauben, sie könnten mit allem durchkommen, und das klappt erschreckend gut, weil das Publikum es goutiert. Dennoch sollte man annehmen, dass das konservative Establishment, wenn schon nicht aus Selbstachtung, dann wenigstens im Interesse der Selbsterhaltung die Notbremse zieht. Mögen Konservative das Schüren von Nationalchauvinismus noch als lässliche Sünde betrachten, müsste bei der Ökonomie eigentlich der Spaß aufhören, und Migration ist unerlässlich in einer globalisierten Ökonomie. Zu viel Rassismus ist geschäftssschädigend, und dass man keine große Leuchte sein muss, um dieses Problem zu lösen, hat George W. Bush mit seinem multikonfessionellen Konservatismus bewiesen. Mit dem »Brexit« aber werden die zukünftigen Handelsbeziehungen Großbritanniens, vorsichtig formuliert, ungewiss, und Trump kann es offenbar gar nicht abwarten, den Handelskrieg mit China zu beginnen. Doch die Mahnungen der Ökonomen, deren Wort Konservativen bislang als Gesetz galt, verhallen ungehört. Und wenn Konservative sich nicht mehr an Kapitalinteressen gebunden fühlen, dürfte es nichts mehr geben, was sie an einer immer weitergehenden Anpassung an die populistische und ex­treme Rechte hindern könnte.