über die Situation in den belagerten Teilen Aleppos

Bomben und Hunger

Die von Gegnern des syrischen Regimes gehaltenen Stadtteile Aleppos sind eingekreist und sollen ausgehungert werden. Statt konsequent gegen Bashar al-Assad sowie Islamisten vorzugehen, verhalten sich die USA und europäische Staaten dem Krieg in Syrien gegenüber desinteressiert und hilflos.

Die russische Luftwaffe hat eines verstanden: Wenn die USA ein Krankenhaus bombardieren, wie im Oktober 2015 in Kundus, dann ist das eine weltweite Nachricht, wenn sie selbst aber Kliniken zu Dutzenden in Schutt und Asche legt, interessiert es nicht. Zum einen, weil sowieso niemand die russische Politik für moralisch integer hält, zum anderen ist es der Weltöffentlichkeit und Politik mittlerweile egal, was in Syrien passiert. Das derzeitige Drama um die ­belagerten Stadtteile Aleppos ist da nur ein besonders übles Beispiel. In Aleppo hat die russische Luftwaffe in den vergangenen Wochen selbst die von der Türkei gelieferten Müllwagen zerstört und die Wasserversorgung lahmgelegt. Nun ist der nicht von der syrischen Armee kontrollierte Teil der Stadt von jeder Versorgung abgeschnitten. Den 250 000 bis 300 000 Menschen, die dort ausharren, soll die Lebensgrundlage entzogen werden, überhaupt stören sie das Regime von Bashar al-Assad bloß. Es sind Sunniten und potentielle Gegner der Herrschaft Assads, ihr Weg durch die von der syrischen Propaganda erfundenen Fluchtkorridore wäre im Zweifel einer, der für viele geradewegs in die vollgestopften Gefängnisse des Regimes oder mit Kopfschuss in den Straßengraben führen würde.
Einen verlustreichen Häuserkampf können sich weder der Iran noch die Hizbollah oder die paar Elitetruppen Assads leisten, die überhaupt noch an den Kämpfen beteiligt sind – also muss die Stadt ausgehungert werden und sich ergeben. Eine Entscheidung des Kriegs wäre das mitnichten; wie auch, das Regime überlebt nur durch die massive militärische Intervention seiner Mentoren im Iran und in Russland. Aber in den westlichen Staaten, nicht zuletzt bei den Steinmeiers dieser Welt, wird das Nachplappern der russischen und syrischen Propaganda wieder lauter werden, vom absehbaren Sieg Assads und davon, dass man mit dem Diktator reden müsse. Die einzigen wahren Sieger in diesem Kampf werden die Islamisten sein, gegen die doch angeblich alle kämpfen.
Zunächst wurde der freie Teil Aleppos den Islamisten ausgeliefert, denn die vergangene Woche umbenannte al-Nusra-Front – sie hat sich ein bisschen von al-Qaida losgesagt – bildet nun eine gemeinsame Front mit den anderen Rebellengruppen im Norden. Die militärisch schlagkräftigen Islamisten ihr Versuch, den Belagerungsring zu durchbrechen, sind die letzte Hoffnung der Menschen in Aleppo geworden. Ein großartiges Ergebnis, denkt man an das angebliche Ziel zumal der US-Regierung unter Barack Obama, in Syrien den »Islamischen Staat« und die anderen Jihadisten zu besiegen. Dafür schweigt sie nicht nur zu Aleppo, sondern bietet sich Russland auch noch aufdringlich als Kooperationspartner beim Bombardieren an, wie es der US-Außenminister in den vergangenen Wochen vorgemacht hat. Und nun hat auch Bundeskanzlerin Merkel nach dem Anschlag in Ansbach erklärt, Deutschland befinde sich im Krieg mit dem »Kalifat«. Gemäß der Logik der westlichen Haltung gegenüber dem Krieg in Syrien hieße das eigentlich, dass die deutsche Luftwaffe jetzt Kliniken und Schulen in Aleppo und anderswo in Nordsyrien bombardieren müsste.