Die Ausstellung »NatureCultures« in Berlin

Die Schönheit der Naturzerstörung

Die Ausstellung »NatureCultures« versucht, das Verhältnis zwischen Mensch, Technologie und Natur zu bestimmen.

»NatureCultures« – der Titel der Ausstellung in den Räumlichkeiten der Berliner Alfred-Ehrhardt-Stiftung geht auf einen Neologismus Donna Haraways zurück. Bekannt für ihren Essay »A Cyborg Manifesto« (1986), der das Verhältnis von Mensch und Maschine aus feministischer Perspektive untersuchte, wandte sich die US-amerikanische Naturwissenschaftshistorikerin und Biologin später vor allem den Beziehungen des Menschen zur Umwelt zu. Von einer authentischen, also von der Sphäre der Kultur getrennten Natur könne kaum noch gesprochen werden, behauptet sie und fragt nach einem neuen ethischen Umgang mit der Natur.
Hier setzt auch »NatureCultures« an. In ihren Arbeiten untersuchen die Künstler Katya Gardea Browne, Pinar Yoldas und Brandon Ballengée das Spannungsfeld zwischen Mensch, Natur und Technik. Während Fotos von Albinos und deformierten Amphibien die ökologischen Auswirkungen menschlicher Naturbeherrschung thematisieren, widmet sich Yoldas den Konsequenzen von Biotechnologie und der Manipulation genetischen Materials. In ihrer Arbeit »Fool’s Fowl« reduziert sie Hühner auf ihre Funktion als Eierspender und Fleischlieferanten. Sämtliche Körperteile, die für den Menschen unnütz sind, wurden weggezüchtet, das Ergebnis sind Federbälle ohne Kopf, Flügel und Beine, die über eine kabelähnliche Leitung ernährt werden.
In welcher Weise sich die Anstrengungen zur Naturbeherrschung auch unmittelbar gegen den Menschen richten, thematisiert ihre Serie »Designer Babies«. Zu sehen sind in Gläsern ausgestellte Plastiken von Kleinkindern, deren Körper nach den Anforderungen des Arbeitsmarktes gestaltet wurden. Menschenzucht nach Maßgaben der arbeitsteiligen Gesellschaft – mit drastischem Fingerzeig wird verdeutlicht, dass der Umgang mit der Natur sich primär nach wirtschaftlichen Kriterien richtet. Der beklagte Niedergang der Amphibien – mutierte Körper, die in der Größe von Kleinkindern ausgestellt werden – ist nur ein Kollateralschaden der Profitmaximierung. Eine Videoinstallation von Ballengée zeigt Kunstinteressierte dabei, wie sie mit einem Kescher deformierte Frösche fangen. Der Künstler und Biologe erklärt die übersichtliche Logik seines Konzepts: Seine Arbeit sei gruselig, aber die Umwelt schließlich ebenso.
Der Anblick beschädigter Natur soll im Betrachter einen Schauder aus­lösen. Und der stellt sich tatsächlich ein, denn sämtliche im Rahmen von »NatureCultures« gezeigten Kunstwerke haben etwas geradezu Toxisches. Ob dieses Unbehagen zu einem sorgsameren Umgang mit der Natur führt, wie die Künstler es sich erhoffen, sei dahingestellt. Ohnehin ist nicht klar, inwiefern sich »NatureCultures« von einer Mode in Philosophie und in den Künsten abhebt, als deren Vordenkerin Haraway gilt. Denn von »nichtmenschlichen Akteuren« ist auch im Zusammenhang der Ausstellung die Rede, obgleich die Künstler die Natur- und Tierwelt lediglich als Material und Möglichkeit nutzen, um die Kollateralschäden menschlicher Naturbeherrschung zu vergegenwärtigen. Die Ästhetik der grellen Bilder, der eingefärbten oder entfärbten Tiere, stellen zudem einen immensen Unterhaltungswert unter Beweis: Naturzerstörung ist unheimlich schön. Eine Erkenntnis, die mit Haraways Philo­sophie nicht in Einklang zu bringen ist.
»NatureCultures« ist noch bis zum 4. September in den Räumen der Alfred-Ehrhardt-Stiftung in Berlin zu sehen. Der Eintritt ist frei.