die Ambitionen Wladimir Putins im Nahen Osten

Ein Schwert für Putin

Die russische Regierung bemüht sich um bessere Beziehungen zu den sunnitischen Staaten des Nahen Ostens. Mit Erfolg, doch Präsident Wladimir Putin verhandelt nicht aus einer Position der Stärke.

Ein Präsident, der gerade einen Putschversuch überstanden hat, bleibt meist zunächst in seinem Land. Doch Recep Tayyip Erdoğan ist sich seiner Macht ­sicher genug. Er wird am 9. August nach Moskau zu reisen, wie die türkische Regierung am Montag bestätigte. Bereits Ende Juni hatte Russland die ­Beschränkungen für Türkei-Reisen aufgehoben. Alexander Dugin, der wohl wichtigste Ideologielieferant von Präsident Wladimir Putin und dessen informeller außenpolitischer Gesandter, weilte Mitte Juli zu Beratungen mit AKP-Politikern in der Türkei.
Dass die Türkei unter Erdoğan der EU nicht beitreten wird, ist mittlerweile offensichtlich. Ob Erdoğan so weit gehen wird, aus der Nato auszutreten, wie es Putin sicherlich hofft, ist hingegen fraglich. Die Verhandlungen haben erst begonnen und es gibt, wie auch Dugin erläuterte, ein wichtiges Hindernis: Zunächst müsse ein »Konsens über Syrien« gefunden werden.
Es ist bereits deutlich geworden, dass Putin den Teilrückzug der USA aus dem Nahen Osten, aber auch die ambitioniertere Machtpolitik bedeutenderer Staaten der Region und deren Verärgerung über die Annäherung des Westens an den Iran nutzen will, um sich ins Spiel zu bringen. Er wäre in mancherlei Hinsicht ein bequemerer Partner für die Monarchen und Autokraten. So dezent die westliche Kritik an deren Menschenrechtsverletzungen und so dürftig die gelegentlich verhängten Sanktionen sein mögen – sie gelten diesen Herrschern als Angriff auf ihre ­Legitimiation und als Unsicherheitsfaktor. Von Putin ist dergleichen nicht zu befürchten.
So lieferte Russland nach dem Beginn der arabischen Revolten erstmals Waffen an Bahrain, während Frankreich und Großbritannien ihre Rüstungsexporte stornierten. Im Gegenzug unterzeichneten Bahrain und Russland im April 2014, während die westlichen Staaten wegen des Ukraine-Konflikts Sanktionen verhängten, zum Unwillen der US-Regierung ein Investitionsabkommen. Im Februar besuchte König Hamad bin Isa al-Khalifa Russland, schenkte Putin ein Schwert und brachte einen Hengst nach Hause.
Bahrain kann keine bedeutende außenpolitische Entscheidung ohne ­Zustimmung des übermächtigen Nachbarn Saudi-Arabien treffen. Dessen König hielt sich lange zurück, überraschend machte sein Außenminister Adel al-Jubeir Ende Juli – im US-Magazin Politico – ein großzügiges Angebot: »Wir sind bereit, Russland einen Anteil im Mittleren Osten zu geben, der es zu einer stärkeren Macht machen wird, als es die Sowjetunion war.« Er versprach Russland überdies einen besseren ­Zugang zum Markt der Golfstaaten und mehr Investitionen – nach einer Einigung über Syrien.
Damit dürfte nicht allein die russische Unterstützung für das Regime Bashar al-Assads gemeint sein, sondern auch, wenn nicht vor allem, das russische Bündnis mit dem Iran, der Schutzmacht Assads. Man kann im konfes­sionalisierten Konflikt der Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien Handel mit beiden Seiten betreiben. Strategischer Partner aber kann man nur für eine Seite sein. Eine solche Entscheidung scheint Putin zu scheuen. Überdies verrät das saudische Angebot recht deutlich, dass man Russland nicht als überlegenen Wunschpartner, sondern als käuflichen Söldnerstaat betrachtet. Russische Waffen haben Weltniveau, ansonsten hat das Land – ­außer fossilen Brennstoffen, über die man am Golf selbst verfügt – wenig zu bieten. Auch als militärische Schutzmacht kann Russland, dem die Ressourcen für Großeinsätze im ferneren Ausland fehlen, die USA nicht ersetzen.
Auch in einer »multipolaren Welt« kommt es auf die Wirtschaftsmacht an, und das russische Bruttoinlandsprodukt erreicht etwa ein Achtel des US-amerikanischen. Den USA ist der Nahe Osten zu kostspielig geworden, Russland kann sich eine globale Machtpolitik nicht leisten. Putins Ambitionen geben den sunnitischen Herrschern die Gelegenheit, im Stil des Kalten Kriegs einer Macht Avancen zu machen, um die andere unter Druck zu setzen. Ihre Kriege aber führen die Herrscher des Nahen Ostens mittlerweile auf eigene Rechnung.