Drohungen gegen Linke und Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern

Im Norden nichts Neues

In Greifswald brannte der Transporter eines Mitglieds eines antirassistischen Bündnisses, in Rostock wurde ein Treffpunkt für junge Flüchtlinge nach Drohungen von Rechtsextremen vorübergehend geschlossen. Zwei Ereignisse, die für den Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern nichts Gutes ahnen lassen.

In Mecklenburg-Vorpommern könnte der Wahlkampf heiß werden. Unbekannte zündelten in der Nacht zum 22. Juli einen Kleintransporter in der vorpommerschen Universitätsstadt Greifswald an. Die herbeigeeilte Feuerwehr konnte nur mit knapper Not ein Übergreifen der Flammen auf weitere Fahrzeuge und ein Wohnhaus verhindern. Der Transporter gehörte Michael Steiger. Er ist Mitglied der Grünen-Abspaltung »Alternative Liste« und aktiv im Bündnis »Greifswald für alle«. Wie die Polizei mitteilte, hatte eine Anwohnerin nachts gegen Viertel nach zwei gesehen, dass die Hinterreifen des Autos in Flammen standen, und sofort die Behörden alarmiert. Das »Bündnis für alle« geht von einem gezielten Anschlag aus, weil Steiger »selbst politisch sowie zivilgesellschaftlich sehr engagiert ist und sein Fahrzeug häufig zur Nutzung für Veranstaltungen und für Transporte zur Verfügung« gestellt habe.
Die Polizeibehörde des Landkreises Vorpommern-Greifswald vermutet ebenfalls eine politisch motivierte Straftat. »Nach Fenstereinwürfen an den Wohnhäusern zweier AfD-Landtagskandidaten sowie an einem Lokal, in dem am Folgetag eine Veranstaltung der AfD stattfand, stand in der Nacht zu heute der Kleintransporter eines aktiven Mitglieds der Alternativen Liste in Flammen«, schrieb die Behörde auf ihrer Internetseite. Doch ihre Ermittlungen brachten bisher kein Ergebnis. Nach Zeugenaussagen waren zwei Täter beteiligt. Ein Auto wurde dabei beobachtet, wie es sich vom Tatort entfernte, aber eine heiße Spur fehlt. Gregor Kochhan, der Sprecher von »Greifswald für alle«, sagte, trotz der Bedrohungslage werde man sich »nicht einschüchtern« lassen und weiterhin »für ein weltoffenes, demokratisches Greifswald und Vorpommern für alle« streiten.
Im Landtagswahlkampf – am 4. September wird gewählt – will die antirassistische Initiative vermehrt Aufklärungsarbeit leisten. Kochhan befürchtet großen Zulauf für die Rechtspopulisten von der »Alternative für Deutschland« (AfD), gerade weil diese »eher gemäßigter daher kommen« als die NPD. Schließlich könnte die AfD bei der Wahl im September in Mecklenburg-Vorpommern erstmals in einem Bundesland die stärkste Kraft werden. Rund 20 Prozent sagen ihr die Meinungsforscher zurzeit voraus. Die CDU könnte derzeit etwa 25 Prozent erwarten. Der SPD von Ministerpräsident Erwin Sellering, die bei der vorherigen Wahl im Jahr 2011 noch knapp 36 Prozent der Stimmen erreicht hat, werden nur noch 22 Prozent prognostiziert.
Die NPD liegt mit vier Prozent knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde. 2011 holte sie noch sechs Prozent. In Greifswald hat die rechtsextreme Partei bereits mit dem Wahlkampf begonnen. »Mit einer weitaus massiveren Plakatierung in Greifswald als in den letzten Jahren«, so Kochhan.
Unterdessen musste in Rostock, der größten Stadt Mecklenburg-Vorpommerns, ein Teilhabezentrum für junge Flüchtlinge vorübergehend schließen. Die Einrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlingen liegt im Stadtteil Groß Klein. Im benachbarten Viertel Lichtenhagen war es im August 1992 zu tagelangen pogromartigen Ausschreitungen gegen einen Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter gekommen.
Nach wochenlangen Bedrohungen »durch rechte Personen und die sogenannten ›Patrioten Rostock‹« sowie ­einem »Versuch, die Einrichtung mit Gewalt zu stürmen«, hätten sich Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) und die Polizei in Absprache mit Rostocks Sozialsenator Steffen Bockhahn (Linkspartei) im Juli auf die Schließung geeinigt, so die Darstellung des Bündnisses »Rostock nazifrei«. »Trotz intensiver Arbeit mit den zum Teil schwer­traumatisierten Jugendlichen und der engen Zusammenarbeit mit der Polizei musste nun festgestellt werden, dass der Schutz der Jugendlichen an diesem Ort derzeit nicht vollständig sicher­gestellt werden kann«, sagte Bockhahn der lokalen Presse.
»Rostock nazifrei« hält die Entscheidung »zwar für nachvollziehbar«, sieht aber darin »auch ein falsches und verheerendes Signal« von Stadt und Polizei. »Gerade für die Jugendlichen im Stadtteil, für die die Einrichtung Anlaufstelle in der Freizeit, bei Sorgen und auch Hausaufgaben war«, sei dies eine Katastrophe, so das Bündnis weiter. Nun hätten »einige wenige Unbelehrbare und eindeutige Rechtsradikale« es geschafft, »eine wichtige Einrichtung im Stadtteil zu vertreiben«. Bockhahn verweist in einer Pressemitteilung darauf, dass die Einrichtung keineswegs geschlossen sei, »eine Rückkehr der Jugendlichen ist ausdrücklich möglich«. Dazu müssten »jedoch erst die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sein«. Die Entscheidung zum zeitweiligen Umzug sei ihm »alles andere als leicht gefallen.« Das Bündnis »Rostock nazifrei« hingegen sieht in der Entscheidung eine indirekte ­Bestätigung von Innenminister Lorenz Caffier für »die Existenz von No-go-Areas«.