Mit der Nominierung der beiden Kandidaten hat der US-Präsidentschaftswahlkampf offiziell begonnen

Mit allen Mitteln

Die Nominierungsparteitage der Demokraten und Republikaner sind große patriotische Shows. In diesem Jahr verlief dabei allerdings einiges anders als üblich. Die Parteitage sind der Auftakt eines hoch­polemischen und polarisierenden Wahlkampfs.

Normalerweise sind Parteitage in den USA gut inszeniertes Polittheater. Die Akteure versammeln sich auf der Bühne, halten ihre Reden, die Delegierten wählen ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin, die Wahl wird demütig angenommen, dann gibt es Musik, Ballons, Getöse. Normalerweise. Doch 2016 ist das Jahr, in dem scheinbar alle politischen Gesetze außer Kraft gesetzt werden. Auf Seiten der Demokraten hat Bernie Sanders die Akzente entscheidend verschoben, Hillary Clinton gilt nun als altbackene Establishment-Kandidatin und korrigiert ihren Kurs schwerfällig nach links. Ihre Leistung, als erste Frau von einer großen Volkspartei für die US-Präsidentschaft nominiert zu sein, wird weitgehend ignoriert, stattdessen macht sich auf beiden Seiten des politischen Spektrums eine Frauenfeindlichkeit unangenehm bemerkbar. Gleichzeitig wurde die re­publikanische Partei von einem schwerreichen Immobilienhai und Selbstdarsteller gekapert. Nur die wenigsten hatten vor etwas mehr als einem Jahr den unaufhaltbaren Aufstieg des Donald Trump vorhergesagt. Als dieser im Juni 2015 auf der Rolltreppe des Trump ­Tower herabgeschwebt kam und seine Kandidatur bekanntgab, galt er als Witzfigur. Noch nie in der US-amerikanischen Geschichte war es einem Außenseiter wie ihm gelungen, gegen den Widerstand der Parteispitze die Nominierung zu erringen.
Immerhin konnten die Demokraten den überraschend effektiven Ansturm von Sanders abwehren. Clinton errang fast vier Millionen Wählerstimmen mehr als ihr Kontrahent. Dennoch haben sich die »Sandernistas« beim Parteitag der Demokraten, der am Donnerstag voriger Woche zu Ende ging, recht ungezogen verhalten und die Krönung Clintons mit lauten Buhrufen verunziert. Die tiefen Risse in der demokratischen Partei sind klar erkennbar. Doch ebenso klar erkennbar ist, dass in beiden Parteien ehemalige Randpositionen überraschend salonfähig geworden sind: Protektionismus, eine tiefe Skepsis gegenüber Globalisierung und Freihandelsabkommen sind nicht mehr nur Sache von Altlinken, sondern liegen jetzt voll im Mainstream. Moderate Demokraten wie Clinton und prinzipientreue Konservative sind über Nacht zu vom Aussterben bedrohten Arten geworden. Bei ihrer Dankesrede sprach sich Clinton ganz klar für eine linke Linie aus, wenngleich ihre proamerikanische Rhetorik von konser­vativen Optimismuspatrioten wie Ronald Reagan abgekupfert war. Clinton hofft, dass das erschreckend knappe Wahlrennen durch eine zukunftsweisende Botschaft entschieden werden kann, durch den unbeirrbaren Glauben an bessere Tage und das Beschwören amerikanischer Einzigartigkeit. Dabei ist ihre Wahlbotschaft ausschließlich an Wähler der gehobenen Kategorie gerichtet, an Schwule und Lesben und Immigranten, die im heutigen Amerika allen Grund zur Zuversicht haben – sie zählen zu den politischen Gewinnern der Regierungszeit Obamas.
Die Verlierer des Wandels werden allerdings von den Demokraten ignoriert – die weiße Mittelklasse, die immer weiter in Armut abgleitet, die Stahlarbeiter und Bergleute, die in wichtigen swing states wie Ohio und Pennsylvania auf der Strecke bleiben. Unter ihnen fischt nun Donald Trump nach Wählerstimmen und meint, mit militantem Patriotismus und fahrlässiger Panikmache ehemalige Stammwähler der Demokraten in sein Lager bringen zu können. Das könnte ihm auch gelingen, nach neuesten Umfragen liegt Clinton nach ihrer weitgehend gelungenen Parteiversammlung nur mit wenigen Punkten in Führung. Clinton und ihr Team kontern, dass diese Wahl keine normale sei, sondern ein Referendum über die Zukunft der USA: Hoffnung gegen Dystopie, gesunder Pluralismus und eine tolerante Gesellschaft gegen eine irrationale Schreckensherrschaft Trumps. Trump hat indessen mit seiner Abschlussrede beim Parteitag der Republikaner vorvergangene Woche eine klare Position bezogen. Über 70 Minuten lang brüllte und tobte er im Stil altbekannter Gewaltherrscher, beschwor ein apokalyptisches Bild der USA herauf und inszenierte sich selbst als strahlende Führungskraft. »Ich allein«, so Trump, »kann es wieder richten.« Er schürt offen rassistische Ängste vor Zuwanderung, Gewalt und dem Islam, und sein oft wiederholtes Versprechen von »Recht und Ordnung« kann ebenso gut als Drohung verstanden werden. Die Zeitschrift The Week schrieb über Trumps Rhetorik, er sei »ein Mussolini im Anfangsstadium, der eine wachsende faschistische Bewegung nährt«. Die New York Times nannte Trump einen »rassistischen Lügner«. Und im US-Debattenmagazin Slate schreibt Jamelle Bouie: »Für sich genommen und alleinstehend ist die Rhetorik Trumps nicht notwendigerweise faschistisch. Doch zusammen genommen und in der Person des Donald Trumps ist klar: Die Rhetorik des Faschismus ist da und zunehmend auch die dazugehörige Politik.«
Inspirator seiner politischen Linie ist sein neuer Wahlkampfmanager Paul Manafort, der zuvor bereits für Ronald Reagan, George W. Bush und John McCain gearbeitet hat. Aber auch für Diktatoren wie Mobutu, Ferdinand Marcos und zuletzt auch Viktor Janukowitsch aus der Ukraine. Manafort ist ein politischer Söldner und somit ein Mann nach Trumps Geschmack. Nicht zufällig hat Trump angekündigt, das Militär der USA in eine globale Söldnertruppe umzuwandeln, die nur dann die Nato-Partner verteidigt, wenn diese auch ihren Beitrag leisten, was auch immer damit gemeint ist. Er droht, 70 Jahre relative geopolitische Stabilität auf den Kopf zu stellen, und spricht sich offen für die Verbreitung von Atomwaffen aus.
Auch innenpolitisch wäre Trump brandgefährlich, denn die Macht des Präsidenten wurde unter Bush und Obama ausgeweitet. Eine von Trump geführte Regierung hätte Zugriff auf den enormen Datenschatz der nationalen Sicherheitsbehörden (NSA) und könnte mittels Anordnungen auch unabhängig vom Kongress Fakten schaffen. Trotz des vermeintlichen Optimismus der Demokraten spielen auch sie mit der Angst. Der Angst vor Präsident Trump.