Die Comicverfilmung »Suicide Squad«

Qualität tut nichts zur Sache

Die Comicverfilmung »Suicide Squad« zeigt auf beeindruckende Weise, dass optische Brillanz völlig ausreicht.

Die Comicverfilmung »Suicide Squad« stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Nachdem im Frühjahr der ebenfalls im DC-Universum angesiedelte und von Warner Brothers produzierte Film »Batman v Superman: Dawn of Justice« überwiegend schlechte bis sehr schlechte Kritiken erhalten hatte und an den Kinokassen deutlich hinter dem Erfolg der Konkurrenz von Marvel und Walt Disney zurückgeblieben war, häuften sich bereits früh Stimmen, die auch für »Suicide Squad« nur das Schlimmste befürchteten.
David Ayer hatte sich als Drehbuchautor von erfolgreichen Filmen wie »Training Day« einen Namen ­gemacht. Viele waren dennoch überzeugt, dass es Ayer überfordern könnte, nach einigen mittelgroßen Produktionen einen Blockbuster als Regisseur und zugleich Drehbuch­autor umzusetzen. Es heißt, das Studio habe sich stärker als üblich in ­Ayers Arbeit eingemischt, weil man befürchtete, womöglich den zweiten Fehlschlag in Folge zu landen.
Die Filmkritik ist sich weitgehend einig darüber, dass der Film reichlich misslungen ist. Die Witze seien mies, die Gewalt nehme zuviel Raum ein, heißt es vielfach, und überhaupt sei der Film einfach schlecht. Ein Wort, das dabei immer wieder verwendet wird, ist trash.
Dennoch oder gerade deshalb schlug der Film an den Kinokassen ein wie eine Bombe. Fast 134 Millionen Dollar Umsatz am ersten Wochenende bedeuteten den bislang vierterfolgreichsten Kinostart in den USA in diesem Jahr. »Jason Bourne«, der fünfte Teil der gleichnamigen Reihe mit Matt Damon in der Haupt­rolle, kam in der Woche zuvor nicht einmal auf die Hälfte. Dass »Suicide Squad« einer der erfolgreichsten Filme des Jahres sein wird, ist bereits sicher. Lagen die Filmkritiker mit ihrem Urteil also daneben? Ist der Film im Grunde doch gut?
Nein, ist er nicht. »Suicide Squad« ist ein wirklich schlechter Film. So ziemlich alles, was in den zahllosen Verrissen über ihn geschrieben worden ist, entspricht der Wahrheit. Der Film ist völlig wirr und springt oft so plump wie unerwartet in der Handlung hin und her, dass der Eindruck entsteht, David Ayers Hund habe das Drehbuch gefressen – das wäre zumindest eine Entschuldigung. Die interessanten Hintergrundgeschichten der einzelnen Figuren werden nur in wenigen Fällen hinreichend ausgeführt, so dass bei etlichen Charakteren völlig offen bleibt, aus welchen Motivationen heraus sie durchaus seltsam handeln.
Optisch hingegen ist »Suicide Squad« ein überaus ansprechender Film. Wie auch andere Filme aus dem DC-Universum der jüngeren Vergangenheit ist Ayers Werk überaus düster. Er geht in seiner Inszenierung und Ästhetisierung des Dunklen und Bedrohlichen jedoch noch einen gehörigen Schritt weiter. Was nur ­folgerichtig ist, schließlich steht im Zentrum der Handlung ein Selbstmordkommando aus drastisch von der Norm abweichenden Schwerstkriminellen. Ayers Vorstellung von Gotham City und den USA ist vollkommen dreckig und kaputt. Bei ihm taucht das, was man als Alltag kennt, bestenfalls zwischen den Zeilen auf. Sein Blick ist auf die Schattenseiten und Halbwelten gerichtet.
Ayers Joker – überzeugend verkörpert von Jared Leto – wirkt beinahe wie eine Antithese zu dem, was Heath Ledger seinerzeit aus der Figur gemacht hat. Wo Ledger dem Joker etwas Manisches gab, spielt Leto ihn mit angsteinflößender Kälte. Passend dazu hat Ayer aus dem verrückten Zausel einen unnahbaren Gangster gemacht – Metallzähne und Gesichtstattoo inklusive.
Auch die anderen Hauptfiguren sind optisch brillant in Szene gesetzt. Das gilt vor allem für Will Smith als Deadshot und Margot Robbie als Harley Quinn, die als perfektes Gegensatzpaar in den Mittelpunkt der Handlung gerückt werden. Wie schon im Falle des Jokers hat Ayer auch bei Harley Quinn auf eine völlige Neuinszenierung der Figur gesetzt, was wiederum hervorragend gelungen ist und weit passender wirkt als eine stärker an die Comicvorlagen angelehnte Version der Figur. Heimlicher Star des Films jedoch ist Jay Hernandez als Feuerdämon Diablo, dessen Verkörperung eines Latino-Gangsters wunderbar cool und gleichzeitig von einer existentialistischen Traurigkeit geprägt ist.
Wie nur kann ein Filmemacher, der es optisch zu solcher Meisterschaft bringt, erzählerisch dermaßen viel falsch machen – bis hin zum vollkommen überflüssigen Cliffhanger am Ende? Mit Blick auf die Umsatzzahlen lässt sich andererseits aber auch fragen, inwiefern die Qualität einer Erzählung für den Erfolg eines Blockbusters verantwortlich ist. Immerhin ist »Furious 7«, der siebte Teil der doch recht inhaltsleeren »The Fast and the Furious«-Reihe, was den Umsatz betrifft, der sechsterfolgreichste Film aller Zeiten. Offenbar gibt es einen ziemlich großen Markt für trash.
Es ist ein Markt, der sich regelrecht zu überhitzen scheint. Gleich vier der zehn kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten stammen aus dem Jahr 2015. Keine der 20 bisher teuersten Filmproduktionen ist älter als zehn Jahre und die Summen, um die es geht, werden immer größer. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass die Risikobereitschaft tendenziell abnimmt. Nicht umsonst wurden die Hitlisten in den vergangenen Jahren – mal abgesehen von den jedes Jahr aufs Neue erscheinenden familienfreundlichen Animationsfilmen – fast ausschließlich von Remakes, Sequels und Spin-offs bereits bekannter Titel dominiert.
Auch »Suicide Squad« passt auf den ersten Blick in diese Kategorie. Bei näherer Betrachtung erweist er sich jedoch – wenn beispielsweise von einer »Welt nach Superman« die Rede ist – als vielschichtiger und allegorischer als ein Großteil der Konkurrenz. Und wenn darüber debattiert wird, ob es richtig sein kann, Superschurken für eine gute Sache einzusetzen, dann schwingt darin durchaus die Frage mit, ob es sich die westlichen Demokratien noch leisten können, immer und überall an den selbst gesetzten ethischen und moralischen Standards festzuhalten. Dabei an ­Guantánamo oder auch an Abu Ghraib zu denken, ist nicht abwegig.
Vor allem jedoch scheint die Frage interessant, was die Mitglieder von »Suicide Squad« zu den »Metamenschen« macht, als die sie bezeichnet werden. Oder anders gefragt, was macht den Menschen zum Menschen? Sicher, Killer Croc als Krokodilmensch ist ganz offenkundig so ­etwas wie metamenschlich; Dead­shot als immer treffsicherer Scharfschütze schon ein bisschen weniger. Harley Quinn schließlich wird vorgestellt als Freundin des Jokers, die »noch wahnsinniger und noch furchtloser« als dieser sei. Man könnte auch sagen, im Grunde habe sie nur eine deutlich andere Lebenseinstellung als die meisten. Macht sie das schon zu einem Metamenschen?
Fragen wie diese stellen sich im Laufe des Films immer wieder und bilden einen interessanten Subtext jenseits all der Knall- und Spezialeffekte. Ayers »Training Day« funktionierte auf vergleichbare Weise. Auch dort traf popcornkompatibles ­Actionkino auf beißenden sozialen Realismus. Dass Ayer in »Suicide Squad« einen gut sichtbaren Verweis auf Alan Moores dystopisches und ­sozialkritisches Superheldenepos »Watchmen« eingebaut hat, legt nahe, dass ihm etwas ähnliches vorschwebte. Dass das dem Studio bei ­einem Produktionsvolumen von 175 Millionen Dollar – fast viermal so viel wie bei »Training Day« – vielleicht ein wenig zu riskant war, ist nachvollziehbar. Aus Sicht des Zuschauers jedoch ist es vor allem ärgerlich.
Suicide Squad (USA 2016). Regie: David ­Ayers. Darsteller: Will Smith, Margot ­Robbie, Jared Leto. Filmstart: 18. August