Weshalb sich Flüchtlingshelfer engagieren

Die Flüchtlingshelfer schaffen das

Was treibt die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer an? Eine neue Studie beleuchtet ihre Motive.

Bald ein Jahr sind die Bilder vom Budapester Bahnhof Keleti alt, die zu einem kurzfristigen Aussetzen des Schengen-Grenzregimes führten. In der Folge kam es zu einer Welle der Hilfsbereitschaft aus der deutschen Bevölkerung für die Hunderttausenden ankommenden Flüchtlinge. Dies überraschte selbst optimistische Antirassisten. Klatschende Münchner begrüßten am Bahnhof die Züge der Flüchtlinge. In Dreierreihen stellten sich Menschen zur Anmeldung an, um bei »Neukölln hilft« ehrenamtlich tätig zu werden. Ähnliche Initiativen entstanden an vielen Orten. Als Sprachrohr und Talkshowgesicht dieser zivilgesellschaftlichen Bewegung fungierte bald der Schauspieler Til Schweiger. Zu Selbstbild und Außenwahrnehmung der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer passte Schweiger perfekt: nicht viel reden, Ärmel hochkrempeln und anpacken. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lieferte dazu den Slogan »Wir schaffen das«.
Dabei ist der 52jährige Schauspieler gar nicht typisch für die im Jahr 2015 entstandene Bewegung der Flüchtlingshelfer. Diese ist nämlich zu drei Vierteln weiblich. Von den Flüchtlingshelfern unter 50 Jahren sind sogar 80 Prozent Frauen, wie der Migrationsforscher Serhat Karakayali vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität zu Berlin herausfand. Er hat in zwei Studien mit seinem Kollegen J. Olaf Kleist die »Strukturen und Motive der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit (EFA) in Deutschland« untersucht. Die erste Studie auf Grundlage einer Online-Befragung entstand im Herbst 2014, für die zweite wurden Daten im November 2015 erhoben und nun vorgestellt. Zwischen den beiden Studien lag der »Sommer des Willkommens«.
Vor 2014 war die Flüchtlingshilfe kein empirisches Untersuchungsobjekt, da sie nur einen Promillebereich der deutschen Bevölkerung betraf, wie etwa ein Blick in den »Freiwilligensurvey« zum Ehrenamt aus dem Jahr 2009 zeigt. Was sich zwischen der Befragung 2014 und 2015 veränderte, war neben der schieren Anzahl der Helfer auch deren gesellschaftliche Herkunft. In Alter, Erwerbsstatus, Stadt- und Landverteilung sowie Konfessionszugehörigkeit haben sich die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe der allgemeinen Bevölkerung angeglichen. Unterrepräsentiert sind Muslime, während mit 24 Prozent der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund leicht über deren Anteil an der bundesdeutschen Bevölkerung liegt. Ihre Motive für das Engagement für Flüchtlinge – häufig wird »Interesse an fremden Kulturen« genannt – gleichen denen des Durchschnitts der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. Nur bei Übersetzungstätigkeiten ragen Menschen mit Migrationshintergrund erwartungsgemäß heraus. Dass Frauen insgesamt eine solch übergroße Mehrheit stellen, verwundert nicht, wenn man einen Blick auf den geschlechtlich getrennten Arbeitsmarkt wirft. Frauen stellen die Mehrheit in den sozialen Berufen.
Vor 2014 kamen prozentual deutlich mehr Flüchtlingshelfer aus Groß- und Millionenstädten, sie waren jünger häufiger und studentisch. Ebenfalls änderte sich das Verhältnis zum Staat und seiner Flüchtlingspolitik. Eine deutliche Mehrheit von 50,6 Prozent sieht die Verantwortung teils beim Staat, teils bei der Zivilgesellschaft. Nur 9,5 Prozent beziehungsweise neun Prozent der Flüchtlingshelfer sehen diese entweder beim Staat oder bei der Zivil­gesellschaft. Die Mehrheit wünscht sich also ein Zusammenspiel von Behörden und ehrenamtlicher Hilfe.
Die Hoffnung von Linksradikalen, in der Hilfe für Flüchtlinge drücke sich eine Kritik an der staatlichen Flüchtlingspolitik aus, wird von der Studie enttäuscht. Nur 40 Prozent der Helfer sehen ihre Arbeit als Zeichen für ein Bleiberecht, 45 Prozent als »Zeichen gegen die Politik im Umgang mit Flüchtlingen«. Hier gibt es wiederum einen altersspezifischen Unterschied. Jün­gere ehrenamtliche Helfer stehen der Regierungspolitik in asylpolitischen Themen kritischer gegenüber. Über 90 Prozent wollen ihr Engagement »als Zeichen gegen Rassismus« und gegen »rechte Stimmungsmache« verstanden wissen. Das ist zwar keine Systemkritik, aber zumindest ein politischer Anspruch.