In Sambia wurde gewählt

Knapper Sieg

In Sambia haben die regierende Partei Patriotic Front und der amtierende Präsident Edgar Lungu bei den jüngsten Wahlen erneut gewonnen. Sein stärkster Herausforderer gibt sich mit dem Ergebnis jedoch nicht zufrieden.

Es war ein Tag, an dem in Sambia vieles zur Wahl stand. Am 11. August waren 6,7 Millionen registrierte Wahlberechtigte zur Wahl des Präsidenten, des Parlaments, der Räte der Kommunalverwaltung, der Bürgermeister in den Städten sowie zur Abstimmung in einem Referendum aufgerufen, das die dieses Jahr vom Parlament beschlossene neue Verfassung bestätigen sollte. Die Annahme scheiterte, da nicht wie erforderlich die Hälfte aller registrierten Wahlberechtigten zustimmte, obwohl es bei den abgegebenen Stimmen eine sehr deutliche Mehrheit für die neue Verfassung gab. 20 Prozent der abgegebenen Stimmen beim Referendum waren allerdings ungültig, was die Befürchtung der Kritiker bestätigte, dass die Abstimmung für große Teile der Bevölkerung inhaltlich nicht verständlich gewesen sei. In der neuen Verfassung wären fundamentale Menschenrechte erstmals verankert, etwa für Kinder, sie enthält aber auch problematische Teile, so ein faktisches Abtreibungsverbot. Im Parlament konnte die Regierungspartei Patriotic Front (PF) die absolute Mehrheit erzielen.
Strittig war vor allem der Ausgang der Präsidentschaftswahl, zumal für den Sieg erstmals eine absolute Mehrheit nötig war. Amtsinhaber Edgar Chagwa Lungu von der PF gewann gleich im ersten Durchgang, doch mit gerade einmal 50,35 Prozent gegen seinen Herausforderer Hakainde Hichilema von der United Party for Na­tional Development (UPND), der auf 47,63 Prozent der Stimmen kam. Hichilema focht das Ergebnis am Freitag vergangener Woche vor dem neuen Verfassungsgericht an. Das Gericht muss nun innerhalb von 14 Tagen eine Entscheidung fällen, bis dahin ist die Amtseinsetzung aufgeschoben und es gibt Diskussion darüber, ob der bereits amtierende Präsident die Amtsgeschäfte weiterführen kann oder sie kommissarisch an den Parlamentspräsidenten abgeben muss. Sambia war in den vergangenen 25 Jahren afrikanischer Vorreiter in demokratischen Machtwechseln und vergleichweise friedlicher Politik. Es ist davon auszugehen, dass das so bleiben wird. Doch Hichilema bezeichnete den Ausgang der Wahl als Diebstahl, was vereinzelt zu Unruhen im Süden des Landes führte. Erst nach drei Tagen rief er seine Anhänger zur Ruhe auf.
Das Wahlverfahren wird mit hohem Aufwand betrieben, die Ergebnisse werden in allen Abstimmungsstationen unter Teilnahme jeweils eines Beobachters aller neun teilnehmenden Parteien ausgezählt und dann von den Wahlbeamten persönlich in die Hauptstadt Lusaka gebracht. Da je nach Region immer eine der beiden großen Parteien, die PF oder die größte Oppositionspartei UPND, die meisten Amtsposten besetzt, kommt es von beiden Seiten immer wieder zu Versuchen, Ergebnisse zu manipulieren. Die Wahlkommission gilt aber als politisch unabhängig und alle Beobachtermissionen, so die der Kirchen, der Afrikanischen Union (AU), der Entwicklungs­gemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) und der Europäischen Union, haben die Wahlen als vorschriftsgemäß und frei beurteilt. Bisher bekannte Vorkommnisse rechtfertigen eine gerichtliche Überprüfung, sind aber in der Masse zu klein, um den Wahlsieg Lungus zu gefährden. Die amtierende Regierung hat das Feld bereits zwei Monate vor der Wahl zu ihren Gunsten beeinflusst, als die einzige oppositionelle Tageszeitung The Post aufgrund von Steuerrückständen geschlossen wurde.
Das politische System ist stark auf den Präsidenten ausgerichtet, so dass ihm wichtige Entscheidungs- und allgemeine Richtlinienkompetenzen zukommen. Lungu trat zusammen mit der amtierenden Vizepräsidentin Inonge Wina an, , die seit 2015 die erste Frau auf dem Posten ist. Hichilema trat zum fünften Mal in Folge an und konnte seine ursprünglich regional vor allem auf den Westen und Süden des Landes begrenzte Anhängerschaft weiter auf andere Teile des Landes ausweiten. Es kandidierten insgesamt neun Parteien mit neun Spitzenkandidaten, darunter mit Edith Nawakwi die einzige Frau; sie kam auf den dritten Platz wie schon bei einer vorigen Wahl. Die Wahlbeteiligung lag mit 56,45 Prozent deutlich höher als zuvor.
Sollte seine Wahl bestätigt werden, kann Lungu nun eine ganze Amtsperiode von fünf Jahren regieren. Er war erst Anfang 2015, nach dem Tod seines Vorgängers Michael Sata, per Nachwahl ins Amt gewählt worden. Die Patriotic Front hatte sich unter Sata 2001 von der Partei des damaligen Präsidenten Frederick Chiluba, dem Move­ment for Multi-Party Democracy (MMD), ­abgespalten. Chiluba stand für die Abkehr Sambias vom Einparteienstaat im Jahr 1991 sowie für die Liberalisierung der Wirtschaft und die Pri­vatisierung des Staatsvermögens, insbesondere der Kupferminen. Bis heute steht der Ertrag aus dem Kupferbergbau für den Staatshaushalt in keinem vertretbaren Verhältnis zu den Profiten der Minenkonglomerate, die nicht transparent sind. Sata gelang es 2011 mit einem Wahlkampf, der vor allem junge Arbeitslose ansprach und soziale Reformen versprach, den MMD nach 20 Jahren an der Regierung abzulösen. Satas nur dreieinhalb Jahre währende Amtszeit war geprägt von einem autokratischen Regierungsstil, aber auch der Lösung des vorherigen Reform­staus, großangelegten Infrastrukturmaßnahmen und Sozialreformen wie der Einführung von Sozialhilfeprogammen, der deutlichen Erhöhung des Mindestlohns und der Bekämpfung prekärer Beschäftigung. Die Patriotic Front definiert sich als sozialistisch und erhielt den Status einer assoziierten Partei in der Sozialistischen Internationale, der die meisten sozialdemokratischen Parteien angehören, so auch die SPD.
Nach dem Tod Michael Satas kam in einem parteiintern ausgesprochen umstrittenen Wahlprozess Lungu an die Macht und hatte seitdem mit einer Währungs- und Energiekrise sowie einer Dürreperiode aufgrund des Klimaphänomens »El Niño« zu kämpfen. Er wird mit der Aussage zitiert, er habe keine Vision, sondern trage die Vision Satas weiter. Bedeutende Führungspersonen seiner Partei verlor er nach dem Machtkampf an die Opposition, konnte aber seinerseits hochrangige Mitglieder des mittlerweile fast bedeutungslosen MMD an sich binden; unter anderem wird er von Rupiah Banda unterstützt, dem letzten Präsidenten (2008 bis 2011) während der langjährigen Regierungszeit des MMD. Banda verlor 2011 gegen Sata und wurde danach von der neuen Regierung jahrelang aufgrund von Korruptionsvorwürfen vor Gericht gebracht. Diese Prozesse stellte die Regierung ein, nachdem Lungu 2015 die Nachwahl gewonnen hatte.
In der Vergangenheit waren Wahlkämpfe in Sambia vor allem an Personen gebunden. Insbesondere in länd­lichen Gebieten haben Wählerinnen und Wähler bis heute eine persönliche Beziehung zu gewählten Abgeordneten und politische Legitimität speist sich aus diesen Beziehungsgeflechten und der Fähigkeit der Gewählten, Ressourcen zugunsten ihrer Wahlkreise zu organisieren und Teilhabe an staatlichen Programmen zu gewährleisten. In städtischen Gebieten ist die Lage seit den vorherigen Wahlen etwas anders und Parteien treten hier personell und programmatisch gemischt auf. Für die Masse junger Arbeitsloser hat Po­litik darüber hinaus eine identitäre Komponente, viele kleiden sich in die Farben einer Partei. PF und UPND haben im Wahlkampf Millionen grün beziehungsweise rot bedruckte chitenges, Baumwolltücher, verteilt, in die gehüllt ihre Anhänger den ganzen Wahlkampf über mit Kleinbussen und offenen Transportern in Gruppen durch die Städte zogen. Dabei kam es regelmäßig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen diesen »Kadern«, bei ­einem Konflikt zwischen UPND-Anhängern und der Polizei starb gar eine junge Frau.
Insgesamt war der Wahlkampf diesmal ungewöhnlich programmatisch. Die Kampagne der PF basierte auf dem Slogan »Sontapo«, sinngemäß: »Schaut, was wir geschafft haben«. Errungenschaften der Regierung wurden auf riesigen Werbewänden beworben. Ein ausführliches Wahlprogramm, das »Manifesto« der Partei, nannte detaillierte Ziele. Vor allem versprach die PF darin die Fortführung aller begonnenen Reformprozesse und die Fertigstellung des Infrastrukturprogramms. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Land, in dem über 80 Prozent der Beschäftigten im informellen Sektor tätig sind, bleibt die PF bei den bekannten neo­liberalen Allgemeinplätzen, mit der Ausnahme, dass sie Genossenschaften stärken will. Demgegenüber vertritt Hichilema, der zweitgrößte Rinderzüchter Sambias und ein ausgesprochen erfolgreicher Geschäftsmann, diejenigen, die mit der Regierungspartei un­zufrieden sind und politische Reformen anstreben, die die PF versprochen, aber noch nicht umgesetzt hat. Sowohl seine als auch Lungus Partei verfolgen eine wirtschaftsliberale Politik, wobei die PF noch stärker auf flankierende Sozialprogramme setzt.
Derzeit ist noch unklar, in welche Richtung die Politik Sambias in den nächsten fünf Jahren gehen wird. Die Verhandlungen mit dem Internatio­nalen Währungsfonds (IWF) über einen Kredit in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar wurden bewusst auf die Zeit nach den Wahlen verschoben, da dieser voraussichtlich die Rücknahme von Subventionen in der Landwirtschaft und bei den Benzin- und Strompreisen zur Bedingung haben wird. Nach der Amtsübernahme wird vor allem die Vergabe der Ministerposten den Kurs der Regierung verdeutlichen. Zunächst wird der Ausgang des Prozesses der Wahlanfechtung abgewartet, in dem sich die Justiz als unabhängig beweisen muss und sich zeigen wird, ob Hichilema im Falle einer Niederlage ­diese anerkennt. Ob der Ressourcenreichtum des Landes endlich umverteilt wird, ist eine ganz andere Frage.