Kurzmeldungen

Finger geht immer
Sigmar Gabriel. Für kurze Zeit drehte sich alles um einen Finger. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe. In Salzgitter hatten Vermummte versucht, den öffentlichen Auftritt von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) mit Parolen wie »Volksverräter« und »Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!« zu stören. Die Jungen Nationaldemokraten Braunschweig, eine Jugendgruppe der rechtsextremen NPD, hatten ein Video des Geschehens über Face­book verbreitet. Der Verein Antifa Kampfausbildung wies medienwirksam auf das Video hin und löste vergangene Woche die überregionale Berichterstattung aus. Bereits im vorigen Jahr hatte Gabriels Reaktion auf Rechte für Aufsehen gesorgt. »Bei uns zuhause würde man sagen: Das ist Pack, was sich hier herumgetrieben hat«, kommentierte er die Proteste gegen eine Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau. Wurde Gabriel von Angela Merkels Raute und den Stinkefingern von Yanis Varoufakis und Peer Steinbrück inspiriert? So ambitioniert seine pöbelnden Gesten auch sein mögen, zur Lösung des Problems mit rechten Strömungen tragen sie nicht bei. saj
Teures Ticket
Nahverkehr. Seit dem vorigen Sommer ist das Schwarzfahren in Berlin teurer geworden. Wer ohne Ticket unterwegs ist, wird mit 60 Euro zur Kasse gebeten, vorher waren es 40 Euro. Als Argument diente den Verkehrsbetrieben nicht nur die Anpassung an die steigenden Fahrpreise, sondern auch eine erhoffte Präventionswirkung. Wer es schafft, mit Abschreckung Geld zu verdienen, weckt das Interesse der Finanzjournalisten. Die Wirtschaftswoche machte eine Umfrage unter den Verkehrsgesellschaften der 20 größten deutschen Städte. In den Großstädten lag die Schwarzfahrerquote 2015 bei etwa 2,6 Prozent. Das entspricht dem Wert der Vorjahresstudie. Spitzenreiter beim Fahren ohne Ticket ist Berlin: Sechs Prozent der Fahrgäste reisen dort ohne Fahrschein. Überraschend ist das nicht, schließlich füllen Berichte über die Neigung der Berliner zur Renitenz ganze Feuilletons. Der wirtschaftliche Schaden durch das Fahren ohne Ticket soll etwa 250 Millionen Euro betragen. Was in der Studie nicht berücksichtigt wurde, waren die Gründe fürs Schwarz­fahren. Es soll Menschen geben, die nicht auf ein Ticket verzichten, weil ihnen die tägliche S- und U-Bahnfahrt zu wenig Nervenkitzel bietet, sondern weil sie es sich schlicht nicht leisten können. Das Aufstocken der Zuschüsse für den Nahverkehr auf einen Vollzuschuss könnte eine gute Idee sein, die sogar Wirtschaftsjournalisten gefallen dürfte: Mobilität dient bekanntlich dem Standortvorteil. saj
Schaurig banal
Popkultur. Es ist so eine Sache mit der David-Bowie-Abfeierei in Berlin. Man meint manchmal, der Thin White Duke habe sein halbes Leben und nicht nur von 1976 bis 1979 dort gelebt. Nun ist eine Gedenktafel in seinem früheren Wohnhaus in Schöneberg angebracht worden. Es war eine Enthüllungszeremonie, die den Glamour eines SPD-Ortsgruppentreffens in Oranienburg versprühte. Zudem ist die Tafel selbst eine ästhetisch und typographisch undankbare Angelegenheit. Unter einem wildwüchsigen Physiotherapie-Schriftzug liest man nun den totgenudelten Slogan »We can be heroes, just for one day«. Als Heldin für zumindest wenige Minuten fühlte sich vermutlich auch die popmusikalisch eher unversierte Vera Gäde-Butzlaff, unter deren Augen die Enthüllung der Tafel wenig flamboyant vollzogen wurde. Wenn man aber weiß, dass sie die Chefin der Berliner Gaswerke ist, die wiederum die Tafel gesponsert haben, ist es natürlich total logisch, dass Gäde-Butzlaff diesen pop­historischen Moment als einer der Main-Acts begehen durfte. Anschließend ließ es sich auch Ramona Pop, die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin, nicht nehmen, vor dem Bowie-Schild zu posieren. Vielleicht verhilft dessen Coolness ja doch zu der einen oder anderen Wählerstimme. Der wahre Popfan ist sowieso froh, wenn nur er oder sie die Orte kennt, an denen sich Bahnbrechendes ereignet hat. awa