»Verknüpfung von Gewalt und positiven Gefühlen«

Auf der »Gamescom« in Köln feiert sich zurzeit die Spieleindustrie. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) jedoch warnt: Der Einfluss sogenannter Killerspiele auf die tatsächliche Gewaltbereitschaft der Spieler sei »kein Mythos, sondern Realität«. Barbara Krahé leitet die Abteilung Sozialpsychologie an der Universität Potsdam und ist Mitglied des BDP. Im vergangenen Jahr erhielt sie den Deutschen Psychologiepreis. Sie hat mit der Jungle World gesprochen.

Was macht ein sogenanntes Killerspiel aus?
Es gibt keine klare Definition. Es ist ein Platzhalterbegriff für Spiele, bei denen das Ausagieren von Gewalt zentral ist. Sicher gehören Ego-Shooter in die Kategorie. Generell betrifft es aber alle Spiele, in denen der Spieler andere Charaktere tötet. Gewalt ist darin instrumentell, um gut abzuschneiden und sich gut zu fühlen. Diese Verknüpfung von Gewalt und positiven Gefühlen ist problematisch.
Wie lassen sich solche emotionalen Vorgänge erforschen?
Man kann diese Vorgänge in einem Experiment untersuchen. Eine Gruppe erhält ein Gewaltspiel, eine andere ein ebenfalls anregendes Spiel, das aber keine Tötung und Verletzung von Charakteren enthält. Hinterher kann man verschiedene Maße des aggressiven Verhaltens einsetzen und untersuchen, ob jemand beispielsweise einer anderen Person einen sehr unangenehmen Lärmreiz oder große, nichtessbare Mengen von scharfer Chili-Soße verabreicht. Das sind künstliche Bedingungen, die Ergebnisse stimmen aber mit denen überein, die wir mit anderen Methoden in natürlichem Umfeld erzielt haben.
Wie äußert sich aggressives Spielverhalten im richtigen Leben?
Diese Spiele führen natürlich nicht dazu, dass jemand zum Amokläufer wird. Extreme Gewalttaten haben immer verschiedene Ursachen, Mediengewalt kann eine davon sein. Wir beobachten aber, dass Menschen, die sich an mediale Gewalt gewöhnt haben, es weniger schlimm finden, wenn sie erfahren, dass jemand im richtigen Leben Opfer einer Gewalttat geworden ist. Sie reagieren auf Darstellungen von Gewalt mit weniger körperlicher Erregung. Sie neigen dazu, Gewaltopfern nicht mehr so schnell zu Hilfe zu kommen. Auch die Einschätzung, dass Aggression ein gutes Mittel ist, um Konflikte zu lösen, verstärkt sich.
Ein Gegenargument lautet, erwachsene Menschen könnten zwischen virtuellem Erleben und Realität unterscheiden.
Das Argument ist vollkommen fehlgeleitet. Es geht um die grundsätzliche Frage: Gibt es einen Transfer von Inhalten, die wir in den Medien sehen, zu dem, was wir im echten Leben tun? Das stellt in vielen Bereichen niemand in Frage. Nur wenn es um Gewaltinhalte geht, wollen die Menschen das nur schwer glauben. Wenn ich Werbung sehe, weiß ich selbstverständlich, dass es sich um Werbung handelt. Dennoch beeinflusst sie das Kaufverhalten. Parallel dazu wissen die Menschen selbstverständlich, dass die Toten in einem Gewaltspiel nicht echt sind. Das bedeutet aber nicht, dass dies keinen Effekt auf ihr Verhalten im Leben hätte.
Gibt es Ihrer Ansicht nach Möglichkeiten, drastische Gewalt medial darzustellen, ohne Gewöhnungseffekte auszulösen?
Die Bewertung der Gewalt ist wichtig. Wenn Gewalt glorifiziert wird, ist das problematisch. Wird das Leid der Opfer in den Mittelpunkt gestellt, ist der Blick des Betrachters also ein empathischer, ist die Wirkung anders. Es kommt darauf an, in welchen Kontext die Gewalt eingebettet wird.
Reagiert die Spieleindustrie auf Bewertungen wie Ihre?
Ja, mit einer selektiven Leugnung der Effekte. Die Vertreter der Industrie sagen einerseits, es gebe gar keinen Zusammenhang zwischen ihren Spielen und dem Aggressionsverhalten. Andererseits zählen sie aber immer die positiven Effekte anderer Spiele auf: Kindern mit Diabetes ließe sich mit Spielen sehr gut zeigen, wie sie sich Insulin spritzen können. Chirurgen könnten viel besser mit Sonden durch den Körper manövrieren, wenn sie vorher feinmotorische Übungen am Bildschirm gemacht hätten. Dabei wird über­sehen, dass die Wirkprozesse die gleichen sind, nur die Inhalte sind andere, und die bestimmen, ob es sich um gesellschaftlich wünschenswerte oder unerwünschte Effekte handelt.